Es gibt eine Form von Geschichten, die sind besonders. Und das gleich in mehrerlei Hinsicht: ich spreche von Märchen. Alt sind andere Geschichten auch, aber bei Märchen ist es anders, weil sie lange lange Zeit nur mündlich überliefert, nie aufgeschrieben wurden. Es ist davon auszugehen, dass viele Märchen älter sind als die Grimm Brüder oder der Herr Bechstein oder wie sie alle hießen.
Und wenn man eine Geschichte über Jahrhunderte erzählt, dann bleibt sie nicht gleich. Soll heißen, der Kern der Geschichte häufig schon, aber das ganze Drumherum, da gibts dann reichlich Variationen.
Das macht Märchen besonders, denn, solange man den Kern der Geschichte übernimmt, kann man sich mit den Extras ausleben. Ein Märchen ist quasi eine Geschichtengerüst, eine Basis.
Deswegen sind Märchen aufgeschrieben auch so kurz. Das geht kaum mal über eineinhalb Seiten, erzählt man die Geschichte jedoch, kann sie, je nach Kreativität, länger werden.
Und das finde ich irgendwie fantastisch. Dazu kommt, dass die Geschichten, die erzählt werden, all die Jahrhunderte hin bewiesen haben, dass sie imstande sind die Zuhörer zu packen. Es gab zweifellos noch mehr Märchen, nur waren deren Geschichten eben langweilig oder aus der Storyteller-Perspektive irgendwie fehlerhaft und deswegen hat sie keiner mehr erzählt und wir kennen sie nicht.
Es ist wie mit dem Tisch mit den Buchneuerscheinungen im Buchgeschäft eures Vertrauens: Wieviele dieser Bücher werden auch in 200 Jahren noch gelesen?
Genau. Da ist ein Haufen vergänglicher Schrott dabei. Ist so, war immer so.
„Unsere“ Märchen haben diese Auslese bereits überstanden, haben also ihre Qualität bewiesen. Und zum Unterschied zu „normalen“ Geschichten geben sie eben noch Raum zum Spielen, zum Interpretieren, zum Kreativ-ausgestalten. Das macht sie besonders.
Und jetzt kommt’s: heutzutage ist die Filmindustrie der große Märchenerzähler. Sie interpretieren die Geschichten, bauen sie aus, basteln dran rum und wagen auch mal was. Mal komisch, mal auf Action, mal auf Grusel. Sie spielen damit. Wunderbar!
Beispiel gefällig?
SCHNEEWITTCHEN
Ich gehe davon aus, dass ihr alle mit dieser Geschichte vertraut seid. Und je nachdem wo ihr herkommt und wie alt ihr seid, ist wohl eure „echte“ Version der Story leicht anders. Denn Schneewittchen ist nicht immer gleich Schneewittchen. Es ist eben immer anders .. und doch gleich 🙂
Wenn ich hier jetzt Filme aufzähle, dann nicht die klassischen Filmerzählungen, die es gerne zu Weihnachten spielt. Die geben nämlich meist eine Grund-Version wieder. Nein, ich möchte euch eben Filme aufzählen, die die Geschichte, also das Drumherum, verändert haben. Wer von euch derlei Veränderung nicht verträgt, auch okay. Ich zwinge da niemanden dazu. Persönlich meine ich eben, dass, wenn man schon eine „Original“Geschichte interpretieren möchte, dann sollte es eben ein Märchen sein. Weil .. siehe oben.
Spieglein, Spieglein (2012)
Julia Roberts spielt in dieser Version die böse Königin. Und da bin ich gleich mal bei Punkt eins: Die böse Königin. Eine schöne, reiche Frau, die abgrundtief schlecht ist. Na wenn das nicht eine Traumfigur ist für jeden Erzähler. Ich persönlich finde ja Bösewicht-Frauen oft deutlich bedrohlicher als Bösewicht-Männer. Nicht immer, aber häufig.
In diesem Film ist die Königin böse auf eine schnippische Art. Sie ist schön und auf eine absurd amüsante Art eingebildet. Der Film badet sich darin sie kunterbunt anzuziehen und immer wieder komplett durchgestylt an die Wand zu malen. Julia Roberts hat sichtlich Spaß.
Schneewittchen ist dagegen .. naja, das ist auch so ein Ding. Wenn man eine derart ausgereifte Rolle wie die Königin als Counterpart hat, eine MachtFrau in all ihrer Pracht , dann hat Schneewittchen eigentlich nur ihre Jugend aufs Tapet zu bringen. In allem anderen ist sie der Rolle der Königin unterlegen. So auch in diesem Film. Schneewittchen ist hinreißend, entzückend, sie kümmert sich um die Armen. Sie ist gut, innerlich zuckerlrosa eben.
Dieser Film geht am Ende komplett gut aus. Sogar der König kommt zurück. Der Film setzt auf sarkastischen Humor, auf teilweise grenzenlos platte Idioten, die sich vor allem um die Königin herum scharen. Aber, ich muss zugeben, ich war gut unterhalten. Die Qualität ist hoch genug. Die Geschichte derart bunt und komisch zu erzählen kann auch in die Hosen gehen, aber das ist hier nicht passiert.
Hier geht’s zum Trailer
zu sehen bei: Netflix (inkludiert), amazon (gegen Gebühr), youtube (gegen Gebühr)
Snow White and the Huntsmen (2012)
Im selben Jahr erschienen, könnte die Geschichte wohl kaum noch sehr viel mehr anders erzählt werden. Vom klassischen Schneewittchen ist hier nicht mehr viel über. Dies ist ein Action Film mit Gruselmomenten. Schneewittchen ist eine in Brauntönen gehaltene Wilde, die doch einiges zu kämpfen hat (also wirklich kämpfen, mit Schwert und so). Der Huntsman aus dem Titel ist jener Jäger, der sie im Wald umbringen soll und es nicht tut. Seine Figur wird unheimlich aufgeblasen, was … ja schon ein wenig krass ist. Aber was soll’s, denn … da ist noch die Königin.
Dieser Film hat die mit Abstand grausamste und dabei unfassbar faszinierend schönste Königin, die ich je gesehen habe. Charlize Theron ist ja an sich schon eine gutaussehende Frau, aber die Kostümbildner und MakeUp Leute aus diesem Film haben sie zu einer brutalen Göttin werden lassen, vor der sich am Ende jeder fürchtet.
Jeder.
Der Gerechtigkeit halber möchte ich unbedingt erwähnen, dass sie nicht nur gut aussieht, sie spielt auch astrein. 1A. Beste Bösin ever!
Aber so schön halt. Seufz.
Der Film ist mehr als mäßig, die Geschichte für meinen Geschmack übertrieben aufgebläht. Wenn ich diesen Film schaue, dann nur wegen der Lust an der Bösewichtin. Punkt. Weil die ist einfach, sorry, unfassbar!
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zu sehen bei: Netflix (inkludiert), amazon (gegen Gebühr), youtube (gegen Gebühr)
7 Zwerge
Otto Walkes und Schneewittchen. Dazu Nina Hagen und jede Menge Witz. Vorab nehme ich gleichmal allen den Wind aus den Segeln, die diesen Film für unpassend halten. Ich bin mir sehr sicher, dass auch in den Hunderten Jahren der Vergangenheit Schneewittchen schon mal völlig verblödelt wurde. Irgendwer hat sich bestimmt darin ergangen den 7 Zwergen allerlei Blödsinn in den Mund zu legen. Außerdem steckt ja auch in der Beziehung Königin/Spiegel reichlich Komikerpotenzial, wenn man mal so drüber nachdenkt.
Ich habe den Film gesehen. Jahre her. Ich weiß nur mehr so viel: ich habe gelacht und Nina Hagen fand ich cool.
Hier der Trailer
zu sehen bei: Netflix (inkludiert), amazon (gegen Gebühr), youtube (gegen Gebühr)
Ich mag es, wenn sich die Kreativen von heute an diesen alten Geschichtsgerüsten erproben.
Das hat was, das mich mit meinen Ahnen verbindet. Laaaaange zurück.