In der Volksoper Wien wird zur Zeit Jaques Offenbachs „Orpheus in der Unterwelt“ gegeben. Unter anderem. Die haben ja viel im Programm. Zur Zeit eben auch den Orpheus. Und im Zusammenhang damit gab es letzte Woche einen schmerzhaften Krankenstand. Orpheus, oder besser gesagt, der Tenor wurde krank.
Das Dilemma bei dieser Operette: Es gibt da zwischen den Arien jede Menge Text. Und dieser Text, der variert auch noch von Inszenierung zu Inszenierung. Was bedeutet, dass man nicht einfach einen Reservetenor aus dem Talon ziehen kann. Singen können diese Rolle zwar sicher mehrere Herren, aber in dieser Version wird eben richtig viel geredet und auch noch getanzt und so … es handelt sich, ich habe ein wenig nachgestöbert, um eine wilde, sehr bunte, sehr unterhaltsame Interpretation. Auf jeden Fall haben alle Tenöre, die hätten einspringen können, abgesagt. Zu wenig Zeit. (wir reden hier von 24h vorher).
Die verzweifelten Telefonate des Regisseurs überhörte die in der Nebengarderobe untergebrachte Mezzosopranistin Katia Ledoux. Sie spielt eigentlich die Venus und zu ihrer eigenen Überraschung hörte sie sich vorschlagen, dass sie die Rolle, die Hauptrolle bitteschön, ich muss es nochmal erwähnen, dass also sie selber die Rolle übernehmen könnte. Venus und Orpheus sind praktisch nie gemeinsam auf der Bühne und wenn, dann singen sie nur in großen Ensembles, sodaß man vielleicht darüber hinwegsehen könnte, dass da dann eine Stimme fehlt. Sie hatte sich die Stücke angesehen und obwohl sie oktavieren müsste (also tiefer singen als sonst), meinte sie, das geht sich aus.
Ihr Bedingungen waren folgende:
- 3 Stunden musical coaching am Morgen mit Frau Andel. Sie ist die Einzige mit der Katia Ledoux meinte, die gesamte Rolle in so kurzer Zeit einstudieren zu können.
- 3 Stunden Bühnenprobe. Wo muss sie wann sein und was muss sie da tun
- Tickets für die Eltern und für den Freund/die Freundin mit der sie an dem Abend hätte essen gehen wollen.
- und flache Schuhe. Denn als Venus musste Katia Absatzschuhe tragen, die extrem furchtbar waren. Das würde an so einem Abend zu viel Nerven kosten.
Und so haben sie es dann gemacht. Ab dem Zeitpunkt ihrer Zusage hat Katia nicht mehr geschlafen. Durch die Nacht hat sie die Rolle gelernt, ab 8.30 begannen Kostümproben, Stellproben und was halt noch so alles dazugehört. Und dann war’s auch schon 19:00 Uhr und in einer irren Folge von Orpheus wird zu Venus und wieder retour, manchmal in nur 90 Sekunden Zeit, hat Katia Ledoux die Vorstellung gerettet. Nicht allein, wie sie allerdings anmerkt. Speziell erwähnt hat sie die Soufleuse, die sie durch die Aufführung gelotst hat, die Masken- und Kostüm-Leute, alle, die hinter der Bühen waren und die sie getröstet, aufgemuntert und an den nächsten, korrekten Fleck gestellt haben. Sie erwähnte das Orchester, das sich ihr angepasst hat, das Corps de Ballet, das an manchen Stellen improvisierte, weil es einfach anders nicht ging und ihre Kollegen, die ihr Raum liesen und Halt gaben woimmer es notwendig war.
Sie schreibt, dass sie noch nie solch warmen Applaus bekommen hat und dass sie die Pause nur mit Weinen verbracht hat (weil so erschöpft). Alle im Theater haben ihr geholfen und alle, auch das Publikum, wussten ob dieser Leistung und würdigten sie entsprechend. Sie würde es trotzdem nicht noch einmal machen.
Kunst ist halt schon ein wunderbar Ding!
Ich habe noch ein wenig zur Inszenierung rumgesucht und folgende Pressestimmen gefunden:
„Sie erweisen sich als echter Turbo in dieser Volksopernproduktion von Jacques Offenbachs ‚Orpheus in der Unterwelt‘, die Herren des britischen Regieteams Toby Park & Aitor Basauri weltbekannt als Spymonkey. Gemeinsam mit Julian Crouch, einem der extravagantesten Ausstatter, holen sie die verluderte antike Götterwelt mit all ihren Marotten, Unsitten, und erotischen Betrügereien an den Währinger Gürtel.“ (Kronen Zeitung, 23.1.2023)
„So viel an ausgelassener Blödelei und herrlich britischem Slapstick erlebt man hierzulande auf einer Bühne eher selten. (…) Jubel!“ (Kurier, 23.11.2023)
„Diese Regie ist einfach fulminant, voller Fantasie, die sich in Kleinigkeiten offenbart, voller skurriler Ideen und Gags, wie sie wahrscheinlich wirklich nur Komiker in britischer Benny-Hill- und Rowan-Atkinson-Tradition erfinden können. Und wie schön: Dem Stück wird nichts, absolut nichts dadurch angetan. Offenbachs ‚Orpheus‘ darf Offenbachs ‚Orpheus‘ bleiben, ein Musiktheater des Vergnügens, des Witzes, der augenzwinkernden Frivolität.“ (Wiener Zeitung, 23.1.2023)
gefunden auf Twitter, als Armin Wolf diesen Instagram Beitrag geteilt hat.
Titelbildquelle: Katia Ledoux Instagram – kurz vor der Aufführung, mit der MakeUp und Perücke des Orpheus und einer beträchtlichen Panik im Gesicht
Eine ausführliche Beschreibung des Abends findet man auf ihrem Facebook Account oder auch ihrem Instagram Account!