Von Eseln & Elefanten: die erste Fernsehdebatte

Also
Debatte:
Vorab ein paar Punkte, die ich euch mitgeben möchte zu folgenden Themen in diesem sehr speziellen amerikanischen Wahlkampfjahr. Und dann setze ich die Debatte dazu in Context.

Die Kandidaten

Seid versichert, dass nicht nur ihr die Auswahl an Kandidaten, sprich Biden (81) und Trump (78), unzufriedenstellend findet. Der größte Teil der US-Bürger ist ebenfalls wenig entzückt. Das soll jetzt nicht in den Schatten stellen, dass Joe Biden, der sein Leben lang Politiker war und somit das „Handwerk“ beherrscht, nicht dem Amt gewachsen war und womöglich noch ist.
Er hat tatsächlich ein paar sehr große, sehr wichtige Gesetzespakete in einem geteilten Kongress durchsetzen können. Das ist, das muss man schon sagen, dem Know-How des amtierenden Präsidenten geschuldet. Weiters hat Joe Biden ein Team um sich gescharrt, das hochkompetent ist. Er ist mehr oder weniger der Kopf der ganzen Sache und hat bisher erstaunlich viel geliefert. Mehr als so manch anderer Präsident.

Nichtsdestotrotz ist er am Ende des Tages wohl einfach nicht die Figur, die dieses Amt braucht. Er hat angeblich gröbere Wirbelsäulenprobleme, was dazu führt, dass er sich nur sehr steif bewegt. Er ist 81 Jahre alt und der Job für den er sich bewirbt, ist wahrlich kein Zuckerschlecken. Und auch er ist, wie viele vor ihm, durch die Belastung des Jobs gealtert. Nur .. war er vorher schon nicht mehr jung.
Betrachtet man die Sache nüchtern, dann mag er den Job schon noch können. Eben weil er ein Politiker durch und durch ist und weil er Leute um sich hat, die kompetent sind. Das ändert aber nichts daran, dass er nach außen hin nicht mehr zu wirken vermag, wie es das Amt wohl eben auch erfordert. Die Amerikaner bevorzugen ihre Präsidenten stark.
Und so sehr es mich schmerzt. Joe Biden ist das nicht mehr.
Womöglich wäre das alles kein Thema, hätte er einen „normalen“ Gegner. Aber das sind hypothetische Gedanken. Sein Gegner und die dazugehörige Partei, spielen ein schmutziges Spiel, sie baden darin, wenn er sich verhaspelt. Jedes Zögern, jeder Moment, den er zu lange braucht, wird als ultimatives Versagen in die Welt gebrüllt. Immer und immer wieder.

Das Tramperl auf der anderen Seite, ist zwar nicht minder langsam oder alt (für mich sind sie gleich alt), aber das Tramperl ist ein Performer. Er hat das sein Leben lang gemacht und er profitiert davon. Immer noch. Ein Politiker ist er nicht. Gefährlich für das Land und vermutlich die Welt. Ungeeignet in mannigfalter Weise.

Für mich sind beide Kandidaten zu alt. Das Tramperl gehört vor einen Richter und nicht auf einen Wahlzettel. Aber es ist, wie es ist. Und es würde mich ehrlich überraschen, wenn die Demokraten einen anderen Kandidaten aufstellen. Jetzt. Da gibts einige Hindernisse diesbezüglich (siehe unten). Und außerdem: der Joe will nicht gehen. Er ist der Meinung, dass es seine Aufgabe ist, das Tramperl niederzubügeln. Seufz. Er meint es vermutlich gut, aber … g’scheit ist es nicht. Meine Meinung.
Soviel zu den Kandidaten.

Die Umfragen

Amerika ist das Land der Umfragen. Mit der dazugehörenden Umfragen-Hörigkeit/Abhängigkeit/Lust daran. Das zu beobachten ist in Momenten skurril. Oft sagen sie vorher noch, dass es zu früh ist, um etwas vorherzusagen und dann? Dann baden sie in Diagrammen und interpretieren diese mit Hingabe und Akribie. Im Anschluß gibt es dann eine Diskussionsrunde, einen Podcast, 2 Berichte und 3 Meinungs-Artikel darüber.

Und das von jedem Medium wo gibt. Sprich jeder Fernsehsender fragt um. Jede Zeitung, die es sich leisten kann. Und das alle paar Wochen.
Es ist ein wirres Spiel. Und im Moment noch eher sinnfrei. (Wie sie ja selber immer wieder sagen.)

Und die lautesten und schrillsten Überschriften schwappen dann auch über den Atlantik bis zu uns. Und deswegen glauben hier alle zu wissen, dass das Tramperl in den Umfragen vorne liegt. Deswegen raufen sich alle die Haare und sind entsetzt. Und dabei, und ich bluffe jetzt nicht, sind gut die Hälfte der Amerikaner noch gar nicht in den Wahlkampf eingestiegen.

Ich sollte wohl die „Ergebnisse“ all dieser Umfragen mal erläutern und zusammenfassen, aber das ist mit Sicherheit ein eigener Post. Hier und heute sei erwähnt, dass die Umfragen

  • im Moment nicht viel hergeben. Es ist noch zu früh.
  • die Umfragen in den letzten Jahren häufiger daneben lagen, als das Ergebnis passte. Die USA sind im politischen innerlichen Kampf, sag ich mal und die Umfragen .. bringen es zur Zeit nicht so richtig. Die Leute wechseln entweder zu schnell ihre Ansichten oder geben diese bei den Umfragen nicht korrekt an oder die Umfrage erwischt einfach kein repräsentatives Teil der Bevölkerung.
  • Umfragen haben durchaus ihre Berechtigung, aber sind eben mit Vorsicht zu genießen. Und das tut man nicht, wenn man die lauteste Überschrift, die eben über das große Wasser platscht ernst nimmt. Die meisten Leser werden dann nervös und machen sich Sorgen .. und bei aller Liebe, wir haben genug um die Ohren zur Zeit. Wenn ihr also eine Umfrage hört oder wo erwähnt findet, vergesst sie gleich wieder. Vor September ist es eure Aufmerksamkeit nicht wert.

Die Medien

Ich habe schon öfter geschrieben, dass die Medien in den USA, wie eigentlich in jeder einigermaßen funktionierenden Demokratie, eine große Rolle spielen. Das Besondere an den Medien in den USA ist wohl, dass es kein staatliches Fernsehen gibt. Das hat zur Folge, dass alle Medienkanäle – Fernsehen oder Papier – im Wettbewerb stehen und dass es somit ums Geld geht.
Ein ORF oder eine ARD gehört den Bürgern des Landes und egal was man selber davon hält, am Ende des Tages sind diese Medienhäuser finanziell nicht komplett von Werbeeinnahmen und dahingehend von den Zuschauerzahlen abhängig. Das gibt ihnen eine gewisse Freiheit.
Das kann man deutlich erkennen, wenn man mal eine Weile amerikanische Nachrichten gesehen hat.

Über die Jahrzehnte hat sich da nämlich für jeden Sender das Publikum entwickelt, oder der Sender hin zu seinem Publikum. Da erzählt dann der Sender die Version der Geschichte, die die Zuschauer hören wollen. Extremes Beispiel: MSNBC und CNN sprechen von dem „Sturm auf das Capitol“ am 6. Jänner 2020; FOX spricht von einer „Demonstration“.
Jedes Thema und ich meine JEDES Thema wird durch diese Zuschauer-Verträglichkeits-Linse betrachtet und eben genauso berichtet. Weil, wenn sie davon abweichen, dann schalten die Zuschauer weg. Hin zu irgendeinem kleinem No-Name-Sender, der ihnen ihre Geschichte erzählt, so wie sie es eben hören wollen und dann kann man für die Werbung nicht mehr so viel verlangen, weil man sie eben nicht so vielen Leuten zeigen kann.

Da kann man natürlich Bände dazu schreiben. Verantwortung der Medien etc. Schon klar. Berichte sind auch hierzulande oftmals ein wenig gefärbt, aber das was da drüben gezeigt wird, ist an manchen Stellen mehr Propaganda und nur am Rande Berichterstattung.

So.
Und mit dieser Information schauen wir uns jetzt die Debatte an.

Die Debatte

Ich halte die Debatte per se für ein Medienspektakel. CNN hat wohl atemberaubende Einschaltquoten gehabt. 2 alte Herren, von denen einer grob verhaltsensauffällig ist und der andere wohl die Schnelligkeit nicht mehr besitzt um den bösartigen Attacken dieser pathologischen Figur ordentlich Konter zu bieten.
 Insofern war von vornherein nicht viel zu erwarten gewesen. Will sagen; nicht mehr als ein widerliches, peinliches … ja, eben Spektakel. Seriöse Themendiskussion? Das hat doch eh niemand geglaubt.
Alles worum es ging, war: „Wie wackelig kommt Joe Biden rüber?“

Und, naja, ich sag’s mal so: Elangeladen war seine „Performance“ nicht. Er war erkältet, seine Stimme brüchig, er driftete manchmal vom Thema ab. Es war schon ein bissi peinlich.
Okay, man kann sagen so eine Debatte ist wie eine Schularbeit: eine Momentaufnahme.
Man kann sagen: Auch Obama, Bill Clinton und andere, haben in ihren ersten Debatten nicht überzeugt.
Aber die Medien und die Republikaner machen daraus ein dramaturgisch herausgearbeitete Katastrophenmeldung, die bis zu uns schwappt.

Ist das Propaganda? Ist das Wahlkampf? Ist das Berichterstattung?
Ich weiß es nicht.
Es ist Amerika. Es ist Aufregung.
Überrascht es mich?
Nein.
Es gab eine reelle Chance, dass einer von den Beiden oder Beide wirres Zeug daherbrabbeln. Es war vorhersehbar, dass die Medien sich darüber stürzen würden. Dieses mal war es Joe Biden.
Mehr nicht.
Aber auch nicht weniger.

Die Fragen zu seiner Fitness sind legitim, genauso wie die zur Gefahr, die das Tramperl darstellt. Das war VOR der Debatte aber auch schon bekannt. Will sagen: für mich ist das ein gebasteltes Spektakel. Nichts davon ist wirklich überraschend.

Ein beträchtlicher Teil der Amerikaner will am liebsten weder den Einen noch den Anderen wählen. Das Argument, dass Joe Biden wenigstens die Demokratie nicht zerstört, ist zwar wesentlich, braucht aber als Überzeugungsargument die Einsicht, dass das Tramperl diesselbe gefährdet .. womit wir wieder bei den Medien sind. Ein beträchtlicher Teil davon erzählt ja die Mär, dass es Biden ist, der das Justizsystem für sich missbraucht um seinen politischen Gegner verfolgen zu lassen. Davon hört man bei uns zum Beispiel wenig. Hierzulande fragen sich alle, wie man denn überhaupt nachdenken kann, wer zu wählen ist …

Die Demokraten, zumindest alle, die etwas zu sagen haben, treten nicht aus der Reihe und werfen den ersten Stein. Sie bestätigen ihn, zähneknirschend zwar und auch nervös, aber niemand von denen ist bereit die eigene Karriere aufs Spiel zu setzen indem sie den König zu stürzen versuchen.
Denn nur, weil einer „Buh“ sagt, wird der Joe vermutlich nicht abtreten. Ich würde mir darüber keinen Kopf machen. Waswärewenn-Szenarios sind so lange sinnlos, solange man nicht selber eingreifen kann um Dinge zu ändern.

Ich hoffe das hilft euch!

Noch eine „Kleinigkeit“ zum Thema kurzfristig einen anderen Kandidaten aufzustellen:

  • Demnächst finden die Parteitage statt, an denen die offiziellen Kandidaten gekürt werden. Auf diesem Parteitag stimmen die Delegierten aus den Bundesstaaten ab. Die Delegierten sind an die Ergebnisse der Vorwahlen gebunden. Die Vorwahlen bei den Demokraten sind abgeschlossen und Joe Biden hat, ich glaube sogar, alle Delegiertenstimmen erreicht.
  • Solange er sich nicht selber vom Ticket streicht, müssen die Delegierten demnach für ihn stimmen.
  • Würde er nach der Nominierung erkranken, dann wäre nicht automatisch Kamala Harris die „Nachfolgende“. Sie steht auf dem Ticket als Vize und wäre der Stellvertreter, sobald Biden im Amt ist, nicht als Kandidat.
  • Das bedeutet: würde er zurücktreten, dann wären – vermutlich .. denn das ist noch nicht vorgekommen – die Delegierten nicht mehr an ihr Vorwahlergebnis gebunden und könnten für eine anderen Kandidaten stimmen.
  • Aber wer stellt sich dafür auf? Vorwahlen gehen sich keine neuen mehr aus. Das dauert zu lange. Kamala Harris ist eine der Wenigen, die im Land bekannt genug ist um eine Chance zu haben, gewählt zu werden, aber sie wird nicht den ersten Stein werfen. Ebensowenig Gavin Newsom oder Gretchen Witmer. Wer läßt sich dann aufstellen … ohne die Legitimation der Vorwahlen? Ein riskantes Spiel.

Insofern: Dies sind nur ein paar Hindernisse, die im Weg rumliegen. Ich glaub nicht, dass da was passieren wird in dieser Richtung, solange es nicht absolut notwendig ist. Es macht die Demokraten super angreifbar!