gelesen KW 15 – Das Gerichtsverfahren um Derek Chauvin

 

In den Vereinigten Staaten ist zur Zeit ein Thema wieder ganz oben. Und das gleich aus mehrerlei Gründen: es geht um Polizeigewalt gegen die Dunkelhäutige Bevölkerung im Lande.

Das Thema groß macht zur Zeit der Prozess gegen Derek Chauvin. Das ist jener – mittlerweile Ex – Polizist, der George Floyd neuneinhalb Minuten lang am Hals kniete. Jeden Tag wird über die Verhandlung live berichtet. Das Ganze kommt einer gemeinsamen, äußerst leidvollen Therapiestunde gleich. Ein Versuch der Aufarbeitung. Die Umstände könnten allerdings besser sein.

In den ersten Tagen haben die Zeugen ausgesagt, die unmittelbar dabei waren. Ihr Aussagen waren markerbebend, wenn man es dezent ausdrücken möchte. Sie bitte jeden Abend vor dem Schlafengehen George Floyd um Verzeihung, nicht mehr für ihn gekämpft zu habe; so eine Zeugin. Und sie ist nicht die Einzige, die meint Mitschuld am Tod dieses Mannes zu tragen. Mehrfach kommt dieses Trauma zur Sprache, die Leute brechen auch mal zusammen, bei dem Gedanken, dass sie diese Tat womöglich hätten verhindern können.
Aber – und das wird gerade dieser Tage wieder sehr deutlich – mit der amerikanischen Polizei legt man sich besser nicht an. Ich werde demnächst mal zusammenfassen, was ich über die Ausbildung zum Polizisten und die Einstellung zu diesem Beruf gelesen habe. Vorab sei nur kurz festgehalten, dass man als Bürger keine weiten Sprünge macht, wenn man sich einem amerikanischen Polizisten in den Weg stellt. Das galt natürlich auch für jene Menschen, die jetzt damit leben müssen, dass sie zugesehen haben, wie George Floyd getötet wurde.

 
 

Nochmal.

Also da waren die Zeugen, die direkt dabei waren. Dann kamen die Ärzte und Gutachter. Woran ist George Floyd gestorben? Warum?

Nun, abgesehen davon, dass wohl niemand einen 90 Kilo Mann, der einem fast 10 Minuten am Hals kniet, überlebt, scheint das trotzdem diskutierbar zu sein. Manchmal sollte die Justiz dem Hausverstand schon den Vortritt lassen. Das kommt nämlich jetzt – meine Meinung – sehr ungut rüber.

Es schmerzt zu hören, wenn die Szene quasi Atemzug für Atemzug – kein Scherz – auseinandergenommen wird. Wenn der Facharzt sagt: „Jetzt sehen sie noch einen Funken in seinen Augen … und jetzt nicht mehr!“

Angeklagt wird Mr. Chauvin mehrfach. 2nd Degree Murder, 3rd Degree Murder und Man’s Slaughter. Das hat seine Gründe. Denn es ist in den USA beinahe unmöglich einen Polizisten, der einen Menschen im Dienst erschossen hat, hinter Gitter zu bringen. Der größte Teil davon – und der ist nicht klein – läuft auch heute noch frei herum. Einige sind sogar immer noch Polizisten.

Das liegt an mehreren Faktoren. Da gibt es eine spezielle Form der Immunität, da gibt es die Verflechtungen mit den amtierenden Staatsanwälten, mit denen ja für gewöhnlich zusammengearbeitet wird und dann gibt es da noch eine mächtige Gewerkschaft, mit der sich niemand anlegt. Zuviel Geld, zuviel Macht.

 

 

Polizisten, die einen Bürger töten, sind von der Justiz kaum zu fassen. 1st Degree Murder, also Mord, so wie wir das verstehen, kann einem Polizisten praktisch nie nachgewiesen werden, denn dazu bedarf es eines Motivs und einer Absicht. Und das ist schwer beweisbar. Für gewöhnlich hat das Opfer ja auch den einen oder anderen „Fehler“ begangen, der dann eben von der Verteidigung grundsolide ausgeschlachtet wird.

Aus diesem Grund haben die Ankläger im Fall von George Floyd der Jury und dem Richter quasi einen Strauß an möglichen Urteilssprüchen angeboten. Damit die eben einen Schuldspruch überhaupt einmal in Erwägung ziehen. Damit endlich einmal ein Polizist zur Verantwortung gezogen wird.

Dass die Sache diesmal möglich sein kann, zeigen auch die Aussagen der Kollegen und der Vorgesetzten von Derek Chauvin. Denn, und das ist mehr als unüblich, die haben in diesen Tagen mehrfach gegen ihn ausgesagt und seine Vorgehensweise als unverhältnismäßig, falsch und nicht den Regeln der Polizei entsprechend bezeichnet.

Sowas ist bisher noch nie passiert. Für gewöhnlich sagt kein Polizist gegen einen anderen aus. Ist so eine Ehrensache.

Diesmal ist das anders.

Und das ist auch hoch an der Zeit, denn in den letzten Tagen sind weitere Fälle von Gewalt an Schwarzen Bürgern aufgetaucht. So wurde nur ein paar Häuserblocks von dem Gerichtsgebäude entfernt, in dem besagter Prozess stattfindet, Daunte Wright (20 Jahre jung) von einer Polizistin erschossen. Warum ist nicht klar. Sie haben ihn wegen eines Duftbaums im Auto (sind in diesem Bundesstaat verboten) aufgehalten und dann festgestellt, dass er einen ausstehenden Strafzettel noch nicht bezahlt hatte. Er wollte daraufhin nicht mit aufs Revier. Deswegen kam es anscheinend zu einem Handgemenge währendessen die Polizistin, die angibt ihn eigentlich tasern gewollt zu haben, ihn dann erschoss. Daunte war nicht sofort tot. Er fuhr mit dem Auto noch ein paar 100 Meter und donnerte dann am Ende in ein anderes Auto. Er verstarb kurz danach.

20 Jahre!

Selbe Stadt.

 

 

Verständlicherweise ist die Stadt, in der eben auch George Floyd getötet wurde, in Aufruhr. Friedlicher Protest war die letzten 20 Jahre. Die Zeiten sind vorüber. Der Schmerz ist zu groß, die Gefahr zu omnipräsent.

Wer allerdings protestiert, steht genau den Leuten dann auf der Straße gegenüber, die für die Aufruhr sorgen. Und da Deeskalation ein Fremdwort für die amerikanische Polizei ist, geht es mittlerweile wieder richtig rund in Minneapolis.

Beim Lesen in den verschiedenen Zeitungen ist deutlich erkennbar, dass das Land diskutiert. Dass den Meisten klar ist, dass die Dinge geändert gehören. Aber wie? Soweit ist die Diskussion noch nicht gediehen. Es geht noch sehr viel um das Anerkennen der Tatsachen.

Eigenartigerweise, das ist jetzt meine Beobachtung, ist ja eigentlich das ganze Land der Meinung, dass es so nicht weitergehen kann. Die Umfragen zeigen da Werte um die 80-90 Prozent. Dass sich aber nichts tut, liegt an einer kleinen, hartnäckigen Minderheit von Menschen, die in Machtpositionen sind und deren einziges Motiv am Ende … wohl nur knallharter Rassismus sein kann. Dazu gehören auch jene Leute, die bei Fox die Reden schwingen, wo gebetsmühlenartig, die immergleiche Botschaft wiederholt wird: der Schwarze Mann ist schlecht. (nicht mit diesen Worten … aber doch mit dem Ergebnis)

Unfassbares Spiel. Offen erkennbar.

FoxNews berichtet im übrigen weniger über den Prozess, aber ausführlich über die Krawalle.

Die Verteidigung baut ihre Strategie auf der Tatsache auf, dass George Floyd unter Drogeneinfluss stand, wenngleich alle Fachärzte klargestellt haben, dass das auf den Tod keinen Einfluss hatte. Die nächsten Tage gehören den Anwälten von Derek Chauvin, die im übrigen von der Polizei Gewerkschaft bezahlt werden. Eine Tatsache, die der Richter der Anklage verboten hat im Verfahren zu erwähnen.

Das Urteil wird in der nächsten Wochen fallen. Es ist von größter Bedeutung.