In den letzten Jahren sind wir mit dem Zug gefahren anstatt zu fliegen. Da spielt natürlich der Umweltgedanke eine große Rolle, aber in Zeiten der Pandemie war auch das abgeschlossene Abteil für die Familie von größerem Reiz als davor. Eh klar.
Und dann ist da noch etwas: mein Seelchen. Ich bin, wie jede durchschnittliche 50-jährige in Europa mittleren Einkommens ein wenig herumgeflogen in meinem Leben. Ich bin wohlgemerkt kein Reisefreak. Ich bin reiseinteressiert, das schon, es ist aber nicht der Mittelpunkt meines Lebens gewesen. Ich war reichlich in den Staaten und die Eckpunkte in Europa (meine Eckpunkte) habe ich gesehen, teilweise mehrfach. Ich bin zufrieden mit meiner Reisetätigkeit.
Was ich aber gelernt habe, ist, dass Reisen anstrengend ist. Nicht nur körperlich, nein auch innen drin. Die letzten zehn Jahre habe ich mich viel mit mir auseinandersetzen müssen und deshalb kann ich – für mich – sagen, dass Reisen meine Seele zu belasten vermag. Nicht furchtbar, nix Leid oder so, aber Streß, ja ich denke, stressig ist ein verkaufbares Attribut. Als junger Mensch habe ich das natürlich einfach negiert. Gespürt habe ich es, es war mir aber egal. Heute habe ich auf sowas keine Lust mehr und ich stelle fest, wenn ich mit dem Zug fahre, dann ist der Streß um die Seele rum deutlich reduziert.
Als wir gestern in Paris ankamen, nach gut 14 Stunden Nachtzugsfahrt, da bin ich in Paris angekommen. Ich. Als ein Ganzes. Und ich habe fast geheult vor Freude. (Anmerkung: ich schlafe nicht supergut im Zug, war also erschöpft.) Ich erinnere mich an frühere Reisen; da war mein Körper schon fast 2 Tage da bis sich allmählich dieses „Ich bin angekommen“ – Gefühl einstellte.
Der Spruch „Die Seele reist mit der Geschwindigkeit eines Kamels“ hat doch was für sich. Meine Seele scheint zwar ein bissi schneller unterwegs zu sein, so Nachtzugtempo kommt anscheinend ganz gut hin für mich, ein Flieger ist mir aber definitiv viel zu schnell. Und wenn ich dann irgendwo, wohin man 2-3 Stunden fliegt nur 3 Tage bleibe, dann war ich halt in Mir-Einheit nur 1en vielleicht 2 Tage wirklich dort. Und kaum bin ich dann dort, reisst’s mich auch schon wieder raus. Sowas stresst mich.
Und es nimmt mir vor allem die Möglichkeit den zu bereisenden Ort vollumfänglich zu genießen. Und DAS finde ich dann wirklich Scheiße.
Wenn ich mich schon aufraffe mein Daheim zu verlassen, dann will ich doch auch bitte komplett im Urlaubsort sein. Komplett alles aufsaugen, aufnehmen, lernen, wundern und staunen. Und das bitteschön macht nun mal nicht mein Körper. Dafür brauch’ ich mein Seelchen. Und obwohl die beiden als Einheit verkauft werden, so, das durfte ich feststellen, sind sie nicht unzertrennbar. Und mal ganz abgesehen davon, dass ich getrennte Körper-Seele-Sachen niemals ansprechend finde, so scheint es doch in einem bezahlten Urlaub, auf einer Reise, die entweder der Erholung oder der Bildung (oder beidem) dienen soll, geradezu absurd, wenn man nicht komplett erholt oder bildet. Vom Konzept her absolut widersinnig. Und insofern habe ich mich entschlossen dem Reisen mit dem Zug (egal wie schlecht ich schlafe) den Vorzug zu geben. Wenn möglich halt. Überallhin geht’s halt nicht, aber wenn’s geht … dann bitte mit Seele.
Und? Wie ist das bei euch?