Der Grund, warum ich zu nähen begann, war, dass, als mein Sohn die Kleidergröße 86 hinter sich ließ, die Modebranche ihn zu einem Krieger machte. Nein, zu einem Soldaten. Gestern Bärlis, Pinguine, Bagger und Lokomotive und dann plötzlich Camouflage, Skelette, Batman und schwarz.
Das entsprach meinem Sohn damals gar nicht. Aber etwas anderes zu finden war richtig mühsam. Denn alles, einfach alles, war .. Werbung!
1. Unser Kind, das Werbeplakat
Damals fiel mir das erste mal auf, dass Kinder benutzt werden um Werbung zu machen. Bei den Buben ist es Batman, Spiderman, die Avengers, Star Wars, Darth Vader .. all diese martialischen Heldenstories, die ich ja per se sehr mag, aber muss das wirklich überall drauf sein. Mütze, Socken, Unterwäsche. Am Shirt auf den Hosentaschen und auf den Schuhen … überall.
Bei den Mädels war es Hello Kitty .. überall. Die japanische Katze hing an beinahe jedem Haken im Kindergarten. Der Rest war Lillifee oder Minni Maus.
Ich habe keine Mutter getroffen, die das nicht nervig fand und trotzdem haben alle dafür Geld ausgegeben. Nur wenige konnten sich alternative Labels für diese Phase im Leben ihrer Kinder leisten. Denn schließlich tragen sie zu diesem Zeitpunkt die Teile ja nur ein paar Monate. Also werden Kinder zu kleinen, entzückenden Werbeplakaten gemacht. Denkt da jemand drüber nach?
Was macht das eigentlich mit einem Kind? Warum wird Kleidung und auch die Kinder hier so missbraucht?
Antwort: kleine Kinder sind sehr süß! Alle schauen kleine Kinder gerne an! Alle haben für den größten Teil der Zeit positive Gefühle, wenn sie kleine Kinder ansehen … positives Branding quasi. Einverständnis der Eltern inklusive.
2. Unser Kind, das Klischee!
Womit wir schon bei den Stereotypen sind, die die Kleiderbranche für unsere Kinder so parat hat. Von den Farben, die den Geschlechtern zugewiesen werden bis hin zu den hautengen Glitzerjeans für 4 jährige Mädchen. Die Modebranche ist weder emanzipiert noch praktisch. Mädchen sind „Drama Queens“ lieben rosa und haben einen Hang zur dauernden Unterkühlung.
Während die Buben kämpfen, die Welt retten und „Masterminds“ sind. Beide Sprüche habe ich im letzten Jahr auf Kinderhirts gelesen.
Diese Rollenbilder sind nicht mal mehr aus diesem Jahrtausend. Totally „last season“! Die Kreativität der Modebranche ist, was das angeht, eher nicht so innovativ!
Sollte eure Tochter demnach im Alter von 3 Jahren auf dunkelblau stehen, dann wünsche ich euch viel Spaß dabei.
Aber so richtig schlimm wird es, wenn eure Tochter größer wird bzw. älter … so ab 8 Jahren in etwa wird sie nämlich allmählich zu einer „Professionellen“…
3. Unsere Töchter, die H****
Es gab da einen Phase, da mochte meine Tochter Röcke. Weite Röcke. So zum Drehen! Ihr wisst, wovon ich rede.
Ein guter Drehrock geht knapp übers Knie, weil dann dreht sich’s halt so richtig gut! Wir haben geschaut, wir haben gesucht und am Ende habe ich genäht, denn es gibt keine Röcke für Mädchen, die bis zum Knie reichen.
Ausnahmslos alles ist kurz .. um nicht zu sagen zu kurz. Winterröcke aus leichtem Tüll, die gerade mal über den Po reichen, dazu Oberteile, die knapp und knackig sitzen.
Ich hab‘ das mal probiert und ein Top in Größe 122 von den Mädels genommen und bin damit rüber zur Bubenabteilung gegangen um zu vergleichen, ob die 122 dort in etwa so groß ist. Ahnt ihr es? Es war eine 110!
Wieso ist das so? Warum um alles in der Welt sollen Mädchen so furchtbar knappes Zeug am Körper tragen?
Die Antwort ahnt jede Mutter, die kurz in sich hineinhört:
Unsere Töchter werden zu sexuelle OBJEKTEN gemacht!
Anmerkung: das so auszuschreiben schmerzt. Aber es ist offensichtlich!
Es gibt keine Individualität, keinen Charakter und auch keine Persönlichkeit. Weder für Buben noch für Mädchen. Die Modebranche ist einfallslos und unkreativ. Sie wird zumindest keinem Kind gerecht, das ich kenne.
4. Schlank, rank und wunderschön
Erst letzte Woche habe ich wieder gelesen davon: In circa 20 Jahren haben die westlichen Länder ein reales Problem im Gesundheitswesen, weil ein beträchtlicher Anteil der dann 30 Jährigen an Diabetes leiden wird. Zusätzlich zu den Kosten für die Erkrankung wird, kommt noch der Ausfall an Arbeitskraft, weil diese jungen Menschen, unverhältnismäßig früh im Leben, schon sehr häufig krank sein werden.
Diese Generation ist jetzt so um die 10 Jahre alt und viele von ihnen sind schlicht zu dick. Falsche Ernährung und zuwenig Bewegung, so hört man.
Das ist aber hier und heute nicht das Thema. Das Thema ist die Mode und in diesem Fall, die Härte mit der die Modebranche diese Kinder ignoriert.
Googelt mal „Mode für dicke Kinder“ oder „Kindermode XL“ oder was euch freundlicher getextet dazu einfällt. Was ihr finden werdet ist, dass ihr nichts findet.
Es gibt keine Plakate oder Beiträge dazu. Es gibt zwar ein paar Anzeigen, diese führen dann aber ins Leere. ES GIBT NIRGENDWO BILDER VON DICKEN KINDERN, DIE GUT ANGEZOGEN SIND!
Aber wäre nicht genau das enorm wichtig!
Als Vorbild, als Bestätigung quasi, dass, wenn schon nicht schlank, so doch zumindest gut angezogen.
Gerade Jugendliche, die sich in der Pubertät mühsam selber finden/suchen, sollten sich doch wenigstens ordentlich anziehen können. Das wär‘ doch eine modische Herausforderung für die Branche! Abseits von Leggins und Sweatpants.
Warum ist da nichts?
Nun ja, auch diese Antwort ist bitter:
Dicke Kinder sind – für die Modebranche – nicht wertvoll!
Sie werden weggeschwiegen.
Das ist ein aktives aus-der-Gesellschaft-ausschließen.
Dicke Kinder gibt es nicht! – das sagen alle Modehäuser, die mir einfallen!
Da ist ihnen sogar das Geld wurscht, dass sie damit verdienen könnten.
Gegenkonzepte gegen all diesen Mist muss man suchen. Die Nachfrage nach Alternativen steigt zwar, aber der Großteil der Leute ist viel zu gestreßt sich damit auseinander zu setzen. Zu perfekt wird uns zu häufig das immergleiche Bild vorgehalten. „So ist es halt!“ – geben die meisten ihren Widerstand auf bevor er begonnen hat.
Dabei kennen wir alle das gute Gefühl, wenn unsere Kleidung so richtig gut zu uns passt. In einer Welt voller Erfolgszwang und enormer Erwartungen an unsere Kinder, sollten wir nicht zumindest dafür sorgen, dass sie sich IN IHRER HAUT WOHLFÜHLEN?!
Denkt mal drüber nach!
Ich empfehle auch dazu den Beitrag von Birgit letzter Woche. Ihre Tochter ist für ihr Alter sehr groß und die Probleme, die damit einhergehen zwingen Birgit an die Nähmaschine. Im Geschäft findet sie nichts. Birgit ist in meinem Bekanntenkreis bei weitem nicht die einzige mit einem derartigen Problem!
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