Lange Zeit meines Lebens habe ich geglaubt, dass Sprache (in meinem Fall Deutsch) etwas Fixes ist. Es gibt Regeln, es gibt Rechtschreibung und alle halten sich daran, was der Verständigung dient. Und wo es Regeln gibt, kann man auch „Fehler“ machen.
Und dann hatte ich Kinder und erlebte, wie sie zu sprechen begannen und wie sie dabei Worte verdrehten, Zeitformen vermischten und dabei sehr kreativ (und süß) die deutsche Sprache verbogen. Noch heute sage ich in Momenten, wenn ich Spaß haben will, Dinge wie: „Ich habe es dir schon gegebt!“ , „Wir haben uns jetzt richtig verlauft!“ oder verwende verdrehte Wörter wie „übarings“ (übrigens) oder „sauggestaubt“.
Seit ich Texte schreibe, verändere ich regelmäßig Worte. Besonders gern kreiere ich zusammengesetzte Riesenhauptwörter oder mache auch mal ein Hauptwort zu einem Verb oder umgekehrt, schlicht weil ich es irgendwie grad genauso brauche.
Und neulich dann bin ich auf ein Video gestoßen, in dem erklärt wird, wie so manche Wörter entstanden sind bzw. wird eigentlich darauf Bezug genommen, dass die Jugend neue Wörter schafft. Einfach so. Und wie das funktioniert.
Und vor allem: dass das immer schon so war!
Wir haben in unserer Sprache eine Vielzahl von Wörtern, die nicht ursprünglich heißen, was wir in sie hineininterpretieren. Beispiel gefällig?
Maulwurf. Das Wort kommt von „moltwerf“, was „Erdwerfer“ bedeutet. Mach ja auch Sinn. Weil aber niemand mehr das Wort „molt“ verwendete bzw. kannte, haben wir begonnen es so aufzuschreiben, wie wir es hören. Armbrust. Die kommt eigentlich aus dem Lateinischen „arcuballista“ – Bogenschleuder. Wenn viele Leute arcuballista nuschelig aussprechen, dann kommt nach einer Weile anscheinend Armbrust heraus. Lustig, oder?
Im Video wurde aus dem lateinischen Wort „versus“ ein Zeitwort, das wohl soviel bedeutet wie „gegen jemanden kämpfen“. Entstanden aus der Situation, das englischsprachige Jugendlichen ohne lateinischen Hintergrund das Wort „versus“ nicht kennen und sie dann eine Aussage, die da lautet: „Das rote Team versus das blaue Team“ als einen Satz interpretieren. Da sie gefühlsmäßig wissen, dass im Satz ein Verb stehen muss, verstehen sie das einzige Wort, das sie nicht kennen, als Verb. Sprich sie fühlen die Aussage als kompletten, grammatikalischen Satz, der in etwa wohl bedeutet: „Das rote Team spielt gegen das blaue Team“, was inhaltlich ja auch stimmt.
Wenn sie also versus als Zeitwort verstehen, werden sie es als Solches annehmen und auch als Solches behandeln, sprich, sie werden es konjugieren. Im Englischen sagen sie dann sowas wie: „We verse; they verse etc.“
Sie haben damit ein Wort genommen, den Inhalt frei interpretiert, das Wort angenommen und verwenden es jetzt in seiner für sie ja logischen Weise weiter. Im Deutschen wären das dann so Sätze wie: „Wir versen das blaue Team.“ .. oder so.
Interessant daran ist zum Einen, dass das zwei verschiedene Dinge passiert sind. Erst die Interpretation des Wortes und dann die Anpassung per Konjugation. Das Ganze funktioniert natürlich auch in Richtung Hauptwort und Deklination. Die Mechanismen sind steinalt und wir Menschen verändern Sprachen seit Tag Eins. Was mir eben neu war und das ist das zweite Interessante daran, ist die Tatsache, dass das uralte Mechanismen sind. Dass, um es mal ganz klipp und klar auszutippen, Sprache genauso funktioniert! So entstehen Wörter. Sprache lebt! Immer schon! Regeln sind nur ein lausiger Versuch weitere Sprachentwicklung irgendwie „einzubremsen“. Keine Chance, meine Lieben!
Ich finde das unfassbar genial! Für mich bedeutet das beinahe sowas wie: „Solange die Anderen verstehen, was ich sagen will, ist es richtig!“ Kommunikation ist eben extrem fluid. Das ist so urcool! Ihr seht mich begeistert!
Wochenendet mal so richtig! 🙂