Die Wiener sind nicht unfreundlich, sie sind eher unverstanden {Eine Liebeserklärung an das grummelig Herzliche}

 

Wien wird immer wieder zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählt. Zum Teil wegen der Öffis, weil es hier so sicher ist und weil der Lebensstandard einfach ein sehr hoher ist.
In der Liste der Freundlichkeit da liegt Wien immer ganz weit hinten. Auch wenn man Reise-Videos mit Titeln wie „Die 5 Dinge, die du über Wien wissen solltest“ schaut, dann wird häufig darauf hingewiesen, dass vor allem die Bedienung in Restaurants in Wien auffallend unfreundlich ist.

Und ich als Durchschnittswienerin kann das nicht verstehen. Denn, ich finde die Wiener zwar grummelig und na-sagen-wir-mal nicht gerade aufdringlich im Angrinsen, aber unfreundlich sind die Wiener nicht. Ganz im Gegenteil, die Wiener sind in ihrer Grummeligkeit herzlich wie man es nur selten findet. Wiener sind immer sehr echt. Du wirst von einem Wiener selten angefreundelt werden und er meint es nicht so. Wiener spielen nicht Theater. Das können sie nicht.

Wenn du also antheatert werden willst, dann komm’ nicht zu uns. Der Wiener wird verschlossen sein, wegschauen, dich in Ruhe lassen. Vielleicht ist es eine Respektsache, vielleicht ein ich-leb-mein-Leben-du-Deins. Es ist aber keine Unfreundlichkeit.
Wer glaubt der Wiener sei unfreundlich, hat es nicht verstanden.

Und wenn ich in einem Gasthaus, Wirtshaus, Restaurant bin, dann, so verlangt das der Respekt, wird mir der Kellner, der Herr Ober nicht in den Arsch kriechen und mir Honig ums Maul schmieren, mich zuckersüß anlächeln nur um sich dann in der Küche über mich dasselbe zu zerreißen. Nein, er wird mich behandeln, wie jemandem dessen Bestellung er entgegennimmt, sonst nichts. Wenn man nach einer Empfehlung fragt, wird er vermutlich eine machen. Aber eine Empfehlung, die der Kellner selber genießen kann und die somit als freundlich rüberkäme (weil der Wiener halt nicht lügt), ist erst möglich, wenn der Kellner den Gast kennt.
Sprich, wenn du jeden Mittwoch im selben Kaffehaus zu Mittag isst, dann wird dir nach sechs Monaten der Kellern womöglich sogar ungefragt das Menü 2 empfehlen, weil er weiß, du hast es gerne scharf. Er wird dabei auch nicht grinsen, er wird es vielleicht rausnuscheln, aber .. er wird es meinen!
Klar?

Und zur Umkehr folgendes. Ich war mehrfach in den USA und ich war dort häufig essen und ich habe mich – als Wienerin – selten so belästigt gefühlt. Am liebsten hätte die junge Dame, die uns serviert hat, ihr Name war wohl Kimberley oder Justine oder so – sie hielt es für notwendig sich vorzustellen – also am liebsten hätte sie nach jedem Bissen nachgefragt, ob ich eh zufrieden bin.
Das ist nicht Freundlichkeit, Leute, das ist ein ungesunder Bedarf an Bestätigung.
🙂

Ja, es stimmt, Menschen sind vielleicht in anderen Kulturen oder Städten offener. Offenheit ist der Wiener Stärke nicht. Es ist die Wärme, die Herzlichkeit, die die Wiener kennzeichnet. Und die trägt man hierzulande nicht auf der Zungenspitze herum. Total aufdringlich wäre das.
Nein. Sowas macht man nicht.

Wenn ihr so wollt ist Wien grummelig bis zum Respektvollen. Wenn ihr die Wiener zum Lächeln bringen wollt, müsst ihr von dieser Seite auf sie zugehen, dann habt ihr eine Chance sie zu sehen, wie sie sind.
Nur so, als Hinweis.
LG aus Wien