Ihr kennt doch sicher inversen Tourismus. Ich nenne das hier einfach so. Es bedeutet für mich soviel wie, dass die Bewohner einer einigermaßen bekannten Stadt vor allem dann die eigenen sehenswerten Orte besuchen, wenn sie Gäste beherbergen und deswegen die Liste der Must-Sees abarbeiten nur um dabei zu bemerken, was sie selber eigentlich noch nie gesehen haben.
Nun, derlei passiert mir nicht mehr. Aber es ist mir passiert. Natürlich ist es mir passiert. In meiner Stadt gibt es halt nicht nur 3 Hingucker. Nein, in meinem zu Hause ist dem wahrlich nicht so. Und verständlicherweise hatte ich bis zum zarten Alter von 30 nicht einmal annähernd die Basics abgeklappert.
Zum ersten Mal mit dem Riesenrad gefahren bin ich wohl mit über 40. Wenn ich davor gefahren sein sollte, kann ich mich nicht erinnern. Den Prunksaal der Nationalbibliothek habe ich schuldbewusst besucht, nachdem mir eine befreundete Deutsche davon vorgeschwärmt hatte. Und da war ich Mutter zweiter Kinder. Eine Aufführung der Lippizaner habe ich bis heute nicht gesehen. Ich war in den Stallungen zur Führung, aber im Dienst sind sie mir noch nicht begegnet.
Wiedemauchimmer.
Mit einer Austausschülerin im Alltagsprogramm fahre ich jetzt all die üblichen Programmpunkte ab. Mein Schrittzähler kommt aus dem Glühen nicht mehr raus. Und ich nicht aus der Erschöpfung. Okay, das ist gemaunzt. Aber … naja.
Letzte Woche waren wir dann auf einen Spaziergang auf der Donauinsel. Dazu muss gesagt werden, dass die Donauinsel wohl von jeder Wienerin geliebt wird. Selbst, wenn man irgendwie nur sehr selten dort auftaucht. Donauinsel rockt. Isso.
Anmerkung: die Donauinsel ist eine künstlich aufgeschüttete Insel in der Donau, die dem Fluß einen Seitenarm gibt, der im Alltag ein ruhendes Gewässer ist und bei Überschwemmungsgefahr geflutet werden kann. Die Fassungskapazität dieses „Kanals“ ist derart enorm, dass es, seit dem Bau der Insel, keine Überschwemmungen mehr der Donau in Wien gegeben hat. Davor, war das sehr häufig der Fall.
Die Donauinsel ist nicht wirklich bebaut. Es gibt ein paar hüttenartige Gebäude mit Lokalen drin. Alle in der Nähe der U-Bahn. An sich ist die Donauinsel einfach nur ein langer grüner Erholungsraum.
Sie ist 21 Kilometer lang.
Wir waren also auf der Donauinsel. Spazierten von der U1 zur ÖBB. Alles zusammen so 3,5km. Gemütlich. Wunderschön. Das Grün war ganz frisch. Es hatte am Vortag geregnet. Die Wiesen waren saftig, dicht bewachsen und … gemäht.
Ja genau.
Da mäht jemand die Donauinsel.
Ich meine, versteht mich nicht falsch, natürlich mäht da wer. Das Gras wäre 1m hoch. Das Hinsetzen schwierig. Klar mäht da wer.
Aber gleichzeitig eben auch: OIDA, da mäht wer die Donauinsel!
Das Grün im Stadion wird gemäht, im Prater die Jesuitenwiese, im Burggarten, im Stadtpark. Alles klar. Natürlich.
Aber die Donauinsel!
Ich werde lange brauchen um das zu verarbeiten.
Es hat eine Austauschschülerin gebraucht um mir diese Seite meiner eigenen Stadt zu vergegenwärtigen.