Es war die letzten Jahre sehr angesagt die Leben berühmter Sänger:innen zu verfilmen. Das ist ja an sich nichts Verwerfliches, eine leichte Aufgabe ist es aber auch nicht. Weltberühmte Künstler sind zum einen Menschen, die im Kopf ihres Publikums ein ganz eigenes Bild erzeugen. Man kann also mit einem Film in ein Wespennest stechen, wenn man die Fans vor den Kopf stößt.
Und dann ist da noch .. naja das Musik-Dilemma. Welche Rolle soll die Musik spielen? Wie sehr definiert sie den Charakter. Man hat in einem Musiker-Biopic eben nicht nur den Künstler, sondern auch seine Musik darzustellen. Was passiert, wenn das nicht so gut gelingt, werde ich euch in einem dieser Filme zeigen.
Immer spielen Drogen und Alkohol eine wichtige Rolle. Das Leben eines Superstars ist zwar vor dem Verhungern sicher, aber rosig ist es wahrlich nicht. Knallhart bis grausam sind eher Attribute, die einem dazu so einfallen.
Trotzdem kann ich es nur empfehlen sich ab und zu ein Biopic reinzuziehen. Man lernt meist doch was über diese Leute, die man so oft schon gehört hat. Und die Musik ist auch immer gut.
JUDY
2019 – Renée Zellweger
Seit „Bridget Jones“ ist Renée Zellweger bei mir ja eher nicht so auf der Hitliste zu finden. Und dann hat sie sich auch noch liften lassen. Alles nicht so Dinge, die mich in einen Film reinschauen lassen. Aber ich mochte halt Judy Garland immer schon. Und auch die Kritiken zu „Judy“ waren stürmisch begeistert. Also habe ich mich drüber gewagt. Und ich muss sagen … Hammer!
Vorab:
Der Film ist kein Unterhaltungsmovie. Er erzählt einen relativ kurzen Abschnitt gegen Ende des Lebens von Judy Garland und es braucht nicht lange bis man erkennt: „Oh Scheiße! Die Frau hatte ja null Freiheit und dazu noch keine Chance aus dieser Lage rauszukommen!“ Es ist bitter und tut in der Seele weh zuschauen zu müssen, wie diese Frau hilflos herumstrampelt in dem Meer, das ihr Leben ist. Als Frau zu dieser Zeit war sie völlig ausgeliefert – so der Film.
Renée Zellwegers Leistung dabei ist atemberaubend. Sie geht, sie spricht wie die Garland, sie spitzt ihre Lippen und … sie singt. Ein halbes Jahr lang hat sie Gesangsunterricht gehabt um den Stil von Judy Garland immitieren zu können. Und niemand wird am Ende des Filmes sagen, dass sie das nicht 1A hinbekommen hat. Ja, es ist nicht die Stimme der Judy Garland. Es ist jemand, der Judy Garland durch und durch spielt .. inklusive dem Singen. Ich hatte, ganz ehrlich, der Zellweger diese Musikalität nicht zugetraut. Der Film malt ein kraftvoll, schmerzhaftes Bild einer großen Künstlerin. Die Musik, ist dabei der Weg, den die Garlang/Zellweger gehen muss.
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LA VIE EN ROSE
2007 – Marion Cotillard
Noch eine Frau. Ein kleine Frau, die in ihrem Land gigantogroß geworden ist. Die Piaf ist in Frankreich .. und eigentlich nicht nur dort, eine Göttin. Ihre Musik ist einzigartig – für mich zumindest. Und ihre Geschichte in einem Film zu erzählen ist mit Sicherheit keine Kleinigkeit. Schon allein, weil die Piaf eine Künstlerin mit Straßenkindcharakter war. Pflegeleicht war sie nie.
Ich wusste persönlich nicht sehr viel über ihr Leben, insofern hat mir der Film viel zu vermitteln gehabt. Edith Piaf hat als Kind quasi auf der Straße gelebt. Sie wurde viel herumgereicht und hatte nie eine echte Bezugsperson, so erzählt es der Film. Sie singt auf der Straße für ein paar Francs und wird dabei entdeckt. Was dann alles passiert, lass’ ich hier aus. Nur soviel, der Film hat reichlich zu erzählen. Das Leben der Piaf war übervoll. Es waren wohl eher mehrere Leben.
Mehr als in der Judy Garland – Verfilmung spielt die Musik in diesem Film eine tragende Rolle. Edith Piaf singt die Lieder nicht „nur“, sie lebt sie vielmehr. Es rinnt aus hier heraus. Die Musik ist ein Teil von ihr. Das gipfelt natürlich dann in dem Chansons „Non, je ne regrette rien“. Edith Piaf singt – so fühlt es sich für mich an – bis sie tot umfällt. (und, nein, sie ist nicht auf der Bühne gestorben .. es fühlt sich aber so an).
Gespielt wird sie dabei von Marion Cotillard, die zwar nicht selber singt, aber extra gelernt hat, wie – also technisch im Hals – Edith Piaf gesungen hat, damit sie es eben möglichst echt darstellen kann. Sie hat sich die Augenbrauen rasieren lassen und ist überhaupt im Film einige male wirklich nur mehr schwer zu erkennen. Marion Cotillard ist wirklich in die Piaf geschlüpft. Irre. Der Film ist aufreibend. Wohl weil es nie so richtig gut wird für die Hauptrolle. Und wenn, dann viel zu kurz. Ein entspanntes, kampffreies Leben schaut anders aus.
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ROCKETMAN
2019 – Taron Egerton
Elton John ist der einzige Künstler in dieser Biopic – Liste, der noch lebt. Und er hat auch an dem Film mitgearbeitet. Und ich behaupte mal diese zwei Fakten machen es aus, dass dieser Film einer komplett anderen Fraktion angehört. Dadurch, dass Elton noch lebt, fehlt der Geschichte die bedrückende Note. Wobei fehlen hier das falsch Wort ist. Es gibt dem Film die Möglichkeit das Leben des Elton John so verrückt und schrill darzustellen, wie es vermutlich in etwa auch war. Ohne Tod. Was allerdings schon eine Leistung ist. Dass Elton John nämlich noch lebt, ist ein Wunder. Die Mengen an Drogen und Alkohol, die dieser Körper verkraftet hat, während er jahrzehntelang durchgehakelt (gearbeitet) hat, ohne Pause, immer Vollgas, dafür gibt’s kein anderes Wort.
Dabei ist auch Elton’s Kindheit keine rosige. Seine Eltern gehören für mich eher in ein Gruselkabinett und seine Homosexualität macht die Sache auch nicht leichter. Sprich man könnte Elton’s Leben ohne weiteres als knallharten Bühnen-Dauer-Drogentripp auf der Suche nach Liebe darstellen.
Aber so will Elton es eben nicht verstanden wissen. Er weiß, dass er ein Ausnahmeleben leben durfte und er blickt mit viel Farbe und einem Zwinkern auf all das irre Zeug zurück, das er gemacht hat. (Ich empfehle sein Buch, liest sich wie ein Song von ihm .. )
Der Film profitiert also davon, dass der Künstler noch lebt und mitteilt, wie er sein Leben selber im Nachhinein betrachtet. Und so kommt dabei ein schillernder Musikfilm auf die Leinwand, der auch in der Erzählart ein wenig experimentiert. Die Musik nämlich wird als Erzählmittel eingesetzt. Sprich, es ist fast wie in einem Musical. Elton – und auch einige andere Rollen – singen die Elton John Songs nämlich abseits der Bühne um die Szenerie zu beschreiben. Selten ist sowas so gut gelungen. Die Musik mitten im Leben des Künstlers. Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorstellen zu können, dass es sich für den dauerzugedröhnten Elton John durchaus so angefühlt haben mag.
Und dann noch Taron Egerton. Ich gebe zu, ich hatte noch nie von ihm gehört, aber .. höllapropölla .. der Gute kann Elton John. Taron singt alle Lieder selber. Und das ist schon eine Ansage, denn die Songs von Elton John können viele Zuschauer ja komplett auswendig. Ich kenne jeden Gigser und jedes Lalalalalaaa ganz genau. Und obwohl es mir anfangs aufgefallen ist, muss ich ehrlich zugeben, dass es dem Film Kraft gibt und absolut okay geht. Ich hätte es früher nicht für ratsam gehalten, aber mittlerweile neige ich eher zu der Meinung, dass der Künstler, der den Künstler darstellt, tatsächlich besser selber singt. Egal wie großartig die Stimme (Judy). Es tut dem Darsteller gut, er wird dadurch enorm viel glaubhafter. Der Film wird dann mehr zum eigenständigen Kunstwerk, weil der Schauspieler sich komplett einbringen muss, weil die Musik nicht vom Band kommen kann. Es ist einfach ein Level besser.
Aber Mut gehört da schon dazu ..
📽 Pflichtfilm!!
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BOHEMIAN RHAPSODY
2018 – Rami Malek
Freddie Mercury gehört zu den Künstlern, die meinem Leben in jungen Jahren Farbe gegeben haben. Dass es mal einen Film über ihn geben würde, war klar. „Bohemian Rhapsody“ ist allerdings ein mikriger Versuch. Der Film ist leider in keinster Weise der Oper, die das Leben Freddie Mercurys war, gerecht geworden. Eine mehr oder weniger völlig linear erzählte Geschichte, die sich an den großen Hits der Band abarbeitet und dabei das Leben und Leiden von Freddie als Füllmaterial benutzt.
Wie kann man!
Welch fahles Licht, viel zu wenig Farbe, kaum Mut, erbärmliche Kreativität und dafür dann den Oskar an Rami Malek. Leider wieder ein Beweis dafür, dass Hollywood gerne große Figuren bepreist. Eigentlich haben sie den Oskar an Freddie verliehen. Für sein Leben, für seine Kraft und seine Stimme. Rami war nicht schlecht, aber wenn man sich anschaut, was die beiden Damen abgeliefert haben, deren Figuren in keinster Weise minder ikonisch waren, dann wäre da noch Luft nach oben gewesen.
Ich denke, es war wohl falsch Freddie Mercury auf eine Nachahmung zu reduzieren. Man hätte ihn und seine Geschichte ruhig interpretieren dürfen. Da hätte Freddie nix dagegen. Künstlerisch, mit Pomp und Krone – so wie es sich die anderen Filme auch getraut haben. Freddie Mercury, die zartbesaitete Giganto-Bühnen-Sau mit der Stimme eines Gottes. Und dann machen sie eine Musiktitelliste, die sie um ein herzlos arangiertes, leeres Leben wickeln.
Wenn man sieht was Taron Egerton aus Elton John macht und wenn man hört, dass sich Rene Zellweger traut selber die Judy Garland zu singen und was das dem Film an Lebendigkeit schenkt, dann kann man schon den Kopf schütteln über diesen Versuch jemanden wie Freddie Mercury in ein Basis-Trocken-trainings-Filmkonzept zu stecken.
Schade.
Da geht eigentlich mehr. Viel mehr.
So.
Jetzt gibt es vielleicht da draußen jemanden, der diesen Film gut und auch informativ zum Leben des Freddi findet und das ist so auch völlig okay. Ich meine aber, dass, wenn man sieht was die anderen Regisseure, Drehbuchautoren und auch die Schauspieler aus der ihren Geschichte gemacht haben, dass „Bohemian Rhapsody“ leider nicht liefert.
(Und noch was: Freddie Mercury hat tatsächlich bis zu seinem letzten Atemzug gesungen. Diese irre Liebe zu seiner Kunst findet im Film nicht statt. *kopfschüttel)
📽 Kann man sich anschauen. (Man sollte halt die Ich-liebe-Freddie-Mercury-Brille auflassen, dann ist der Film sicher ein wenig besser.)
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Popcorn, Sofa und Lieblingsmensch
Los!