gehört KW 41 – Sprache und Identität

Ui, das liest sich schwer als Überschrift. Identität ist so ein schwerer Begriff. Träge. Bleiern.

Dabei muss ich ehrlich zugeben, dass gerade für mich Sprache eine sehr wichtige Komponente geworden ist. Ich habe gelernt, durch das viele Schreiben auf dem Blog und auch durch das heftige Feedback auf die Videos wie sehr ich über meine Sprache identifiziert werde.

„So wie du, so schreibst nur du“ – habe ich schon öfter gehört.

Was lustig ist, denn ich finde, dass jede Bloggerin ihren eigenen Ton in der Sprache hat. Auch wenn ich noch keine Video dazu gesehen habe. Aber womöglich bin ich diesbezüglich halt schon sensibilisiert.

Vorgestern habe ich dazu eine Sendung im Radio gehört. Ö1 natürlich, bin ich versucht zu sagen. Es ging um Sprache, um Sprachen lernen und was die Sprache aus einem macht.

Drei Punkte sind mir dabei aufgefallen:

1. Flüchtlinge, die deutsch lernen sollen

Klar, das Thema ist heiß. Syrer und Afghanen sollen möglichst schnell unsere Sprache lernen. Dann können sie sich besser integrieren, dann fallen sie nicht so sehr auf.

Um eine Sprache möglichst schnell und auch möglichst gut zu lernen, muss man sie sprechen. Und zwar mit Menschen, die die Sprache beherrschen. Diese sollten zur Not langsam sprechen, niemals aber die Sprache versimplifizieren.

Also Deutsch pur. Alle Fälle, alle unregelmäßigen Verben. Groß und Kleinschreibung hört man ja zum Glück nicht. 😉

Wenn man aber so viel eine neue Sprache spricht, also fast andauernd, hat das zwangsläufig zur Folge, dass man die eigene Sprache nicht mehr spricht.

Und das ist nicht gut.

Denn die Identität der Menschen hängt an ihrer Sprache. Wird man gezwungen die eigenen Sprache nicht mehr zu sprechen, fällt man nach einer Weile in ein Identitätsloch. Das gilt vor allem für Menschen, die alleine in einem Land sind.

Wenn ich mit niemandem mehr reden kann, so wie mir der Schnabel gewachsen ist, wer bin ich dann?

So in etwa.

Ein irgendwie logischer Gedanke. War mir aber bisher nicht bewußt.

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2. Kinder, die 2sprachig aufwachsen

Ich lebe ja in einer Bobo-Gegend. Ich schreib‘ das hier mit liebevollem Augenzwinkern. Ich habe mit Erstaunen und Befremdung gesehen und gehört, wie Eltern im Kindergarten mit ihrem Nachwuchs beim Schuhanziehen englisch gesprochen haben. Englisch mit Akzent wohlgemerkt. Diese Leute waren keine Native Speaker. Sie waren Wiener, die auf der Welle des „ich bring mein Kind vorwärts“ mitschwimmen wollten.

Es ist erwiesen, dass Kinder mehrsprachig aufwachsen können. Das schadet in keinster Weise. So denn ein paar grundlegende Eckpfeiler beachtet werden.

Eine Sprache zur Person.

Wenn also die Oma immer serbisch spricht, oder der Vater immer französisch, dann ist das gut so. Die Sprache wird dann gar nicht als Sprache mehr als Person wahrgenommen.

Wichtig dabei ist, dass über die Zeit, die Kinder die Sprache nicht nur von einer Person hören. Sie müssen regelmäßig auch andere Menschen serbisch bzw. französisch sprechen hören.

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Denn, und auch das ist logisch, sonst lernen sie die Sprache einer Person. Jeder hat, siehe mein Stil, seinen eigene Art Sprache zu nutzen. Hier ein kleiner Fallfehler (gute Güte, das mit dem Genitiv kriegt ja kaum einer hin ;-), dort ein falsch genutztes Vokabel (Birgit hatte da zum Beispiel ein Erlebnis mit dem Wort „behindert“)

Ergo: besser nicht nur einer.

3. Sprache, Dialekte und Regionen

Und überhaupt: Hochdeutsch gibt es nicht. 🙂 Denn egal wo man hinfährt, alle zeigen auf einen und sagen du kommst aus – bitte einfügen!

Es gibt im Deutschen wohl ein paar Tausend Dialekte. Im Englischen auch und vermutlich auch in Schwedisch und in Finnisch und … ja, bei Chinesisch weiß ich es sicher.

Dialekte haben ganz viel zu tun mit der Region aus der man kommt und somit – und dann sind wir wieder am Anfang – mit Identität.

Auch wenn ich mindestens 3 Arten von Wienerisch kenne und selber der Meinung bin, dass ich gar nicht so wienerisch klinge, so ist das für Leute von außerhalb doch meist recht eindeutig.

Was für mich allerdings ganz eindeutig ist, dass ich zu Wien gehöre. Das ist meine Stadt. Mein daheim. Die Sache mit der Identität ist völlig klar erkennbar für mich.

Und ab und zu, erkenne ich es auch in meiner Sprache. Es gibt Worte, die verwendet man nur hier in der Gegend und es fühlt sich gut an, wenn ich sie benutze.

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Und so ist es dann wohl auch mit all den Dialekten in den Tiroler Tälern oder oben am Meer in Ostfriesland (da hab‘ ich neulich ein sehr amüsantes Video gesehen. Ich verstehe ja kein einziges Wort – hier lang, wer sich ein Ohr voll geben will)

Man fühlt sich daheim, wenn man seine Farbvariante der eigenen Sprache benutzt.

Und dann gibt es da eine höchst eigene Variation in England.

Und das ist das Neue für mich.

In England gibt es eine eigene Art von Dialekt bzw. eben einen kein-Dialekt, die nicht mit einer Region sondern mit einer Gesellschaftsklasse identifiziert wird.

Wenn ein Kind ganz egal wo in England in eine Public-School geht (eine Privatschule wohlgemerkt – public ist da ein wenig irreführend), dann lernen alle diese Kinder das Englisch der Upper-Class. Alle diese Kinder sprechen eine eigene Sprache.

Und jeder in England kann diese Sprache erkennen und assoziiert sie mit Bildung-Reichtum-Adel etc.

Ich finde das einfach nur spooky!

Unheimlich.

Sprache kann auch richtig stark trennend wirken!

Da sage noch einmal jemand Sprache habe keine Macht über uns!

Ihr könnt die gesamte Sendung noch bis Mittwoch nachhören: Hier bei Ö1