Ich wurde neulich gefragt und auch aufgefordert einen Beitrag dazu zu schreiben zum Thema: Was ist da los in Österreich? Die Regierung Kurz, was läuft da? Ist es wirklich so schlimm wie es Jan Böhmermann in seinem letzten Beitrag vor der Sommerpause hinbetet?
Nun. Ich musste nicht lange nachdenken um mir einzugestehen, dass eine Zusammenfassung der politischen Ereignisse in meinem Land in den letzten Jahren ein Buch ergeben würde. Womöglich sogar mehrere Bände. Alleine, was in den letzten Monaten alles abgelaufen ist, ist beachtlich. Und ich werde euch das hier nicht alles wiedergeben (können). Der einzige Weg ist eine Art Momentzusammenfassung. Situationsblick quasi.
Da ein großer Teil meiner Leserinnen aus Deutschland und der Schweiz kommen, gehe ich davon aus, dass ihr mal hier mal da was gehört habt, aber die Situation in Wirklichkeit nicht kennt. Also werde ich ein bißchen was erwähnen, aber eben nicht alles. Die Österreicherinnen unter euch bitte ich um Nachsicht ob des inkompletten Szenenbildes.
Soweit mein Vorwort, lasst uns eintauchen. Schonfrist Ende.
Die Staatsanwaltschaft (genauer die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft kurz WKStA) ermittelt gegen den Finanziminister der Republik Österreich wegen Korruptionsverdachts und gegen den Bundeskanzler wegen Verdachts der Falschaussage vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuß.
Finanzminister Gernot Blümel hat weiters Unterlagen, die der Untersuchungsausschuß angefordert hatte, nicht geliefert. Auch nicht als der Verfassungsgerichtshof angerufen wurde, urteilte und die Auslieferung für korrekt erachtete. Das Ministerium lieferte nicht. Nach abgelauferner Frist ging der Verfassungsgerichtshof den offiziellen Weg zum Bundespräsidenten und bat diesen um die Exekution des Urteils. Sowas gab es noch nie. Bundespräsident Van der Bellen schoss per Pressekonferenz einmal vor den Bug des Finanzamts und zwei Stunden später wurden kistenweise Unterlagen an den U-Ausschuß geliefert.
An dieser Stelle möchte ich extra anmerken, dass Gernot Blümel auf die Verfassung angelobt wurde.
Diese ganze Geschichte ist die Spitze eines Zwistes, den die ÖVP mit dem Rechtsstaat hat. Natürlich kommuniziert sie das anders. Der Bundeskanzler und seine Partei attackieren ihre politischen Gegner und, und das ist eben in dieser Art und von dieser Partei neu und besorgniserregend, die Justiz und auch das Parlament. Der U-Ausschuß wurde als „Löwinger Bühne“ bezeichnet. Das Kontrollorgan der parlamentarischer Aufsicht über eine Regierung von derselben diffamiert.
Auch der Bundeskanzler verhält sich nicht korrekt. Auch er hat bis heute die geforderten Unterlagen an den UA nicht geliefert. Seine Vorgehensweise ist jene zu behaupten, dass es keine relevanten Unterlagen gäbe. (Anmerkung: Dies zu entscheiden – was relevant und was nicht relevant ist – steht ihm allerdings nicht zu. Das läuft in einem Rechtsstaat eigentlich anders.)
Das ist so in etwa das Gerüst der aktuellen Situation, verpackt wird das ganze in reichlich Kleinkriegsgetöse. Wortwechsel hier, Anschuldigungen in alle erdenklichen Richtungen da. Dazu unfassbar peinliche Chats, die veröffentlicht wurden. All das führt leider dazu, dass der Kern der Sache immer wieder ein wenig in den Hintergrund tritt, was, so kann man wohl vermuten, durchaus beabsichtigt ist.
Sebastian Kurz ist ein guter Spinndoktor. Er kann ausgezeichnet auf Fragen antworten, die nie gestellt wurden und dabei höchst effizient, die eigene Sache vertreten. Die Opposition versucht sich in einer Mischung aus verfassungsrechtlicher Verantwortung und dem Ausnützen einer politischer Gelegenheit. Es ist ein grausames Spiel. Auf der Strecke bleibt dabei die ziemlich sicher die Qualität unserer Demokratie.
Die ÖVP hat sich vor einigen Jahren aus einem Tief heraus dem Herrn Kurz ausgeliefert. Er hat alle potentiellen Spitzenkräfte nach hinten geschoben und die relevanten Plätze an der Sonne mit engstehenden Freunden besetzt und jetzt, wo man eigentlich sagen müsste, dass wir ein Land mit hohen demokratiepolitischen Ansprüchen sind und also einen Bundeskanzler, der unter Anklage steht (noch nicht, aber vermutlich bald) nicht dulden wollen, kann diese Partei keine Führungskraft aus dem Ärmel ziehen, die das Land und das Amt übernehmen könnte. Etwas, was die ÖVP Zeit meines Lebens stets konnte.
Also geben sie zähneknirschend klein bei und stimmen in den Chor „Anklage ist keine Verurteilung“ ein und machen so aus unserem Land eine mittelmäßige Demokratie. Eine wie Italien oder Israel, wo es angeklagte Regierungsspitzen gibt. Das ist real ein Abstieg. Österreich war bisher besser als das.
Es wäre weiters noch zu erwähnen, dass Sebastian Kurz massiv Druck auf die Medien ausübt. So hat er die Presseförderung neu verteilt und bevorzugt eindeutig jene, die ihm die Erde aufbereiten. Er ruft auch regelmäßig an in Redaktionen und versucht Berichterstattung in seinem Sinne zu erzwingen. Der ORF hat spätestens seit der türkis/blauen Regierung sowieso keine Ruhe mehr.
Ist das alles schon der Anfang vom Ende?
Nun, noch hält die Justiz stand. Und auch die Medien geben nicht klein bei. Ich habe sogar den Eindruck, dass sie ihre Aufgabe mit Stolz nachkommen. Aber, dass am Ast gesägt wird, ist offensichtlich.
Auch die Tatsache, dass wir dort sind, wo wir sind zu einem beträchtlichen Teil aufgrund der Handychats von Thomas Schmid, dass aber die WKStA auch im Besitz des Handys von Herrn Strache ist, wir daraus aber noch nichts erfahren haben, lässt erahnen, dass das Ende der Fahnenstange wohl noch lange nicht erreicht ist.
Seufz!
Leider ist der Ausblick kaum rosa.
Persönlich sehe ich vor allem im Verhalten und in der Kommunikation der ÖVP sehr viel Ähnlichkeiten mit den Trump’schen Republikanern. Auch Sebastian Kurz inszeniert sich als Opfer der Opposition und schart so die Seinen noch enger um sich. Auch er hackt auf das Parlament, auf die WKStA und vermutlich am Ende wohl auch auf den Richter/die Richterin, die über ihn zu urteilen haben wird.
Ausgerechnet Franz Fischler, ehemaliger EU-Kommissar und ÖVP Grande, sagte neulich in einem Podcast: „Wehret den Anfängen!“
Ich denke, der Kampf läuft.