Ich war gerade im Parlament. Nicht für eine Führung. Anmerkung: das österreichische Parlamentsgebäude wurde in den letzten Jahren generalsaniert. Ein 150 Jahre Update quasi. Ziemlich gelungene Geschichte – die Restaurierung. Ergo laufen jetzt alle Parlament-schauen. Und warum auch nicht? Das Haus ist ein Knaller. Es war immer schon ein Prachtbau. Am Ende halt komplett aus der Zeit in der Funktionalität. Jetzt ist es wohl erstaunlich im Heute und mehr denn je sehenswert.
Das Gebäude habe ich mir aber bereits einigermaßen erarbeitet. Was ich schon lange mal wollte, ist einer Nationalratssitzung beiwohnen.
Ein bissl hab’ ich mich natürlich angeschissen, weil ich ja eine Liebe bin. Ich kann zwar gut die Bitch und auch gut granteln, aber im Herzen bin ich – wie jede Wienerin – total lieb. Und im Parlament, naja, da ist, was man so mitkriegt, der Ton ein grauslicher.


Weiters habe ich erwartet einen Haufen Leute zu Gesicht zu bekommen, die glauben etwas zu sagen zu haben, dieses aber nicht gut können. Sprich – die guten Redner fallen halt nicht so oft vom Himmel.
Und monotones Runtergelese hatte ich zuletzt in der Schule. Lange her. Ich habe es mir irgendwie halt wieder erwartet; das Runtergelese.
Um einer Nationalratssitzung im Parlament in Wien beizuwohnen kann man
1) Ganz oben unterm Dach hinter einer Glaswand runterschauen und über Lautsprecher zuhören. Wenn man plauschen, lachen und kommentieren will, ist das the place to go.
2) auf die Galerie. Zwar hat man da auch eine Glaswand vor sich. Diese reicht allerdings nicht ganz nach oben. Man hört also ungefiltert mit und kann sich auch Gehör verschaffen. Man wird allerdings gebeten ruhig zu sein. Handy lautlos. Diese Ecke.



Ich war auf der Galerie. Da wollte ich hin. Da die Sitzplatzzahl begrenzt ist, muss man sich vorher „anmelden. Man kriegt dann so ein Kärtchen zum Umhängen und hat dann für die gebuchte Zeitdauer einen Sitzplatz live dabei quasi.
Kosten tut das nix. Außer Zeit.
Wie ich erwartet hatte, war der Ton reichlich gewöhnungsbedürftig. Offensichtlich sind alle Nationalratsabgeordneten nach Jahren des Sich Gegenseitig Dauernd Vorwürfe Machens, erstaunlich trocken und dauercool. Wenn sie sich aufregen, wirkt das schon recht inszeniert. Parlament ist eine gute Portion Theater. Das ist schnell klar.
In der Stunde, die ich mir für den ersten Kontakt zugemutet habe, war das Thema Bildung an der Reihe. Einer nach dem Anderen wurde aufgerufen und hat seine Rede gehalten. Der Minister saß brav daneben. Der Rest der Regierung war nicht anwesend. Das ist schon aufgefallen. Sie kommen und gehen also der Reihe nach zum Rednerpult mit ihren vorbereiteten Meldungen zum Thema. Einige versuchen originell zu texten und es auch so vorzutragen. Die Qualität davon bewerte ich jetzt mal nicht. Manchmal haben sie die Reaktionskapazitäten und nehmen in den ersten zwei Sätzen kurz Bezug auf den Vorredner, um dann auf ihre vorbereitete Rede einzuschwenken. Die Meisten aber nicht. Es sind also mehr so Perlenkettenreden.

Bei Bedarf wird geklatscht (immer nur von der eigenen Partei, bitteschön) oder angefressen reingerufen (die bösen Anderen – es gibt Lieblingsfeinde). Überraschenderweise bringen diese Reinrufungen die Redner tatsächlich kurz aus der Fassung. Das hatte ich nicht erwartet. Irgendwie habe ich geglaubt, die hätten das Ignorieren besser drauf. Naja, ich war ja nur eine Stunde dort. Die alteingesessenen Profis habe ich nicht gesehen. Warat schon interessant.
Gut zu beobachten ist allerdings, was so abseits des Rednerpults passiert. Wer spielt am Handy rum (gar nicht so viele)? Wer plauscht mit wem? (Jeder mit jedem. Also auch Grüne mit FPÖlern. Okay nicht superviel, aber ich habe es in einer Stunde bereits gesehen.) Wer tragt die Häferln der anderen raus (die Sigi Maurer macht das)?
Man sieht die Frauen. Man sieht wo sie sitzen (sprich zu welcher Partei sie gehören) und das macht schon was mit einem. Man sieht was sie so anhaben (ich muss sagen, alle waren wirklich eher gut angezogen. Ich war zufrieden).
Was da genau so abläuft, konnte ich in meiner ersten Stunde nicht identifizieren. Aber es ist schon klar, dass es läuft.

Kurzum: Es war durchaus, wie ich es erwartet hatte. Überrascht habe ich mich selber. Denn ich war überzeugt davon, dass mich das Gesamtszenario nur nervt und ich eher nicht noch einmal hingehen würde wollen. Vielleicht ist es ja mein fallender Östrogenspiegel, der mich das eher ertragen lässt. Ich werde ziemlich sicher nochmal hingehen. Und zwar länger.
Das Haus hat mich auf jeden Fall begeistert. Es ist schön, wirkt solide (ein besseres Wort fällt mir nicht ein) und es gibt dem eigenartigen Treiben einen Rahmen, der die Sache mit Sicherheit auf das Niveau hebt, das ihr halt gebührt.
Ich kann es nur empfehlen.
Anbei der Link zu den aktuellen Terminen mit den Anmeldebuttons für die Galerie. Ins Parlament per se, kann man immer. Wochentags! Eintritt frei. Ausweispflicht. Davon werde ich euch auch nochmal mehr erzählen.