Paartherapie – Tanzen gehen

Lang – Lang – Kurz,Kurz – Lang – Lang – Kurz, Kurz

Ja ihr hört richtig. Das Tanzen ist zurück in meinem/unserem Leben. 30 Jahre Pause. Mein Mann und ich, wir schwingen es wieder. Das Tanzbein.

Mir persönlich tut es gut, mal die Führung abzugeben. Überraschenderweise kann ich das richtig gut. Ich schalte beim Tanzen total ab. Flupp … Nullkurve. Mama im off.

Mein Mann kann, das muss ich schon extra hervorheben, richtig gut tanzen. Er hat amateurmäßig mehr als 10 Jahre Tanzsport betrieben. Wenn ich also abschalte, dann übernimmt er die Führung. Was gut ist, da es ja per se so gedacht ist.

An diesem Punkt laufen viele Paare ja häufig Gefahr zu streiten. Der Mann kann es eben nur mäßig gut – das Tanzen – oder womöglich doch eher gar nicht und dann übernimmt die Frau das Zepter … und das ist im Tanzen schlicht naja .. auf die Dauer gar nicht möglich. Ein sicherer Frustrationshafen eben.

Die Damen dürfen beim Tanzen durch mentale Abwesenheit glänzen.

Das klingt zwar heftig, aber im Vergleich zu meinem Alltag, ist es für mich genauso. Okay, ab und dann muß ich schon meine Arme wieder heben und auch ein wenig auf meine Füße aufpassen, aber im Vergleich zu meinem Job als Familienchefin vom Dienst, ist Tanzen für mich wie Urlaub auf Hawai. (Anmerkung: ich war noch nie auf Hawai)

Mein Mann hingegen leistet Arbeit. Nicht nur, dass er wissen muss, wie eine Figur überhaupt geht, nein, er muss auch schauen, ob sie sich platzmäßig überhaupt ausgeht, damit wir nicht in die Mauer krachen. Auch muß er darauf achten, dass andere Paare von uns nicht niedergemäht werden und darf, darauf lege ich wert, dabei nicht allzu verbissen dreinschauen.

Soll ja Spaß machen!

Wir sind also wieder in einer Tanzschule. Und da muß ich gleich sagen: „Es ist alles ganz anders, als früher!“ In unserem Kurs sind wir ganz normal .. altersmäßig. Ein paar „Jüngere“ sind auch dabei, aber das Gros ist so wie wir – mittelalterlich. Das tut gut. Die Damen schauen alle so aus, wie ich mich fühle. Die Herren haben alle ausnahmslos ein wenig Bauch, oder wenig Haupthaar oder beides.

Tanzen können alle.

Wir sind nämlich schon in Kursstufe 5. Da kann man Foxtrott schon von Jive unterscheiden, weiß was ein Lockstep ist, kann auf der Ferse drehen und hebt und senkt auch schon mal. Das, was wir dort machen, kann man eindeutig als Tanzen erkennen. Auch als Außenstehender.

In unserem Kurs wird selten gestritten. Das haben alle hinter sich gelassen. Manchmal wird gegrübelt, weil etwas irgendwie nicht stimmt. Dann tüftelt man ein wenig herum und auf einmal geht’s dann wieder. Alles läuft sehr unaufgeregt ab. Alles sehr weich. Die Herren sind zu beschäftigt mit einfach allem und die Damen sind alt genug zu wissen, dass die Herren eben ein wenig Ruhe, Zeit und Verständnis brauchen bis der Knoten in den 2 linken Füßen sich wieder auflöst.

Als Paar ist es Therapie pur. Man redet mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Null über die Kinder, das Abendessen oder die elendigliche Todo-Liste. Nö, keine Chance. Tanzen erlaubt das nicht. Tanzen duldet keine Konkurrenz.

Man kichert maximal mal übereinander. Man ist einander nämlich auch sehr nahe. Also körperlich. Und nach einer Weile unweigerlich eben auch mental. 2 Seelen im Dreiviertel Takt, wenn ihr so wollt.

Also neben dem Gespräch über die Schritte, die Körperhaltung und derlei gibt es eben nur noch das Gespräch übereinander.

Ja, es wird gekichert im Kurs und auch gebusselt. Vor allem bei der Rumba. Beim Wiener Walzer weniger. Dafür ist es dann einfach zu hektisch.

Apropos Wiener Walzer. Eine Runde Wiener Walzer könnte man als Heilmittel registrieren lassen. Wenn es gut funktioniert, dann strahlen nach ein paar Minuten wildem Herumwirbelns nämlich alle im Saal.

Okay, und geschnauft wir dann auch

und leicht getorkelt.