Radfahren in der Stadt. Wieso?

Ich lehne mich da jetzt, glaube ich, nicht allzuweit aus dem Fenster, wenn ich sage, dass alle die Radfahren können, auch gerne radfahren. Wohlgemerkt, wenn das rundherum stimmt. Wind im Haar, einigermaßen freie Fahrt, Übersicht, Wetter okay und schon radelt man recht begeistert dahin. Will sagen: ich kenne niemanden, der radfahren lauthals furchtbar nennt. Natürlich fahren nicht alle mit dem Rad. Manche sporteln per Rad, aber das Rad als Verkehrsmittel ist nicht überall eine Lösung. In vielen Städten neuerdings aber schon.

Und doch höre ich, dass verächtlich über Städter gesprochen wird, die mit dem Rad fahren. Und deswegen werde ich euch heute erzählen, wie es so ist in einer Stadt wie Wien mit dem Rad unterwegs zu sein.

Vorab: Es ist eine Weile her, aber auch ich bin früher selbst kürzere Distanzen innerhalb der Stadt mit dem Auto gefahren. Wenn ich nicht mit dem Auto unterwegs war, dann waren mein Mittel um von A nach B zu gelangen die Öffis. Zu Fuß war ich nur selten unterwegs, mit dem Rad überhaupt nicht.

Die Zeiten haben sich aber geändert. Ich zähle euch also jetzt mal auf, was mir ganz persönlich aufgefallen ist.

Punkt 1: das Verkehrsaufkommen

früher heißt bei mir im Zusammenhang mit Wien so etwa 20 Jahre. Seither ist der Verkehr in der Stadt mehr geworden. Und zwar empfindlich mehr. Dazu kommt, dass die Autos im Schnitt größer sind, was vor allem beim Parken deutlich wird. Alles in allem, macht Autofahren in Wien keinen Spaß mehr. Man hat das Gefühl alle um einen herum sind gestreßt, bei jeder Grünphase an der Ampel kommen nur 5 Autos drüber, man steht viel in der Gegend rum und am Ende sucht man dann auch noch Parkplatz.

Punkt 2: der Stress

Fährt man mit dem Rad fällt dieser Streß sofort weg. Es fühlt sich nicht nur luftiger an, man kommt auch tatsächlich vorwärts. Meistens fährt man an den auf der Straße stauenden Autos direkt vorbei (am Radweg). Es ist als bekäme man das Intelligenzticket überreicht jedesmal, wenn man an der Autoschlange vorbeirollt. Mir ist das ja fast peinlich. Es ist so offensichtlich. Vermutlich aber nur aus der Radperspektive.

Punkt 3: der direkte Weg

Wiens Häuser – vor allem innerhalb des Gürtels – wurden zum großen Teil zu einer Zeit erbaut in der es keine Autos gab. Sprich die Abstände zwischen den Häusern sind nicht dafür ausgelegt. Das hat zur Folge, dass häufig nur für eine Fahrtrichtung Platz ist, was wiederum bedeutet, dass man mit dem Auto oftmals nicht von A direkt nach B fahren kann. Man fährt eher in Schlangenlinien. Dadurch wird die Distanz nicht nur länger in Metern sondern sehr schnell auch in Minuten.
Mit dem Rad hingegen kann man erstaunlich häufig von A nach B ohne auch nur einmal von der Direttissima abzuweichen, …

Punkt 4: die Zeit

…. womit man in den meisten Fällen erschreckend schnell ist.

Als Autofahrerin musste ich das erst mal verkraften. Der Unterschied ist schlicht schockierend. Das Rad ist in der Stadt über eine gewisse Distanz vom Auto einfach nicht zu schlagen. Man fährt direkt, gerne auch mal durch irgendwelche Anlagen und Grün hindurch, in die das Auto gar nicht darf. Man muss es selbst ein paar mal erlebt haben und dann muss man es verkraften.
Die Zeit ist auf der Seite des Rades und zwar unfassbar deutlich.

Und da reden wir ja noch gar nicht mal vom Parkplatz suchen.

Punkt 5: die Gesundheit

Ich will das hier ja gar nicht alllzu sehr ausdehnen, aber natürlich bewegt man sich selber, wenn man mit dem Rad fährt. Und weil Wien alles andere als eben ist, spürt man das manchmal auch gut. Selbst jetzt im Winter lässt es sich mit dem Rad fahren. Ich habe mich neulich auf mein Rad gewagt und es war ganz ehrlich ein Spaß! Kalt hin und her. Handschuhe sind wichtig. Es ist kein Problem mit dickem Wintermantel zu radeln. Wußte ich noch nicht.

Radfahren in der Stadt ist aber nicht mehr das sorglose Dahinrollen aus meiner Jugend. Man ist dann Verkehrsteilnehmer. Die Touristen latschen einem sorglos in die Quere und es gibt Autofahrer, die Machtspielchen spielen wollen. Nicht alle, aber im schlimmsten Fall reicht ja einer.
Persönlich meide ich Strecken, wo ich genötigt bin auf der Straße zu fahren. Das ist in meinen Augen schlicht gefährlich.

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung meiner persönlichen Wahrnehmung. Mit dem Rad zu fahren, hat meinen Blick auf den Verkehr in meiner Stadt um eine völlig neue Perspektive erweitert. Ich hätte nie gedacht, dass es einem so klar serviert werden kann … das nicht-Auto-fahren und wie dumm es ist in der Stadt in ein Auto zu steigen.
In Abständen steige natürlich auch ich noch in eine Auto. (Anmerkung: wir haben keines mehr). Wenn ich etwas zu transportieren habe oder raus aus der Stadt muss und es dorthin keine gute Öffi-Anbindung gibt.
Ich weiß, dass man nicht immer mit dem Rad fahren kann, aber eben häufiger als ich mir gedacht hatte. Und hier noch drei Punkte, die das Rad für alle Stadtbewohner wertvoll machen.

Räder sind
leise,
stinken nicht
und
brauchen nur sehr wenig Platz.

Und wenn viele Menschen beisammen leben, sind diese Argumente viel wert.

Ich hoffe ihr könnte in etwa verstehen wie groß die Gedankenumwälzung ist, wenn man mit dem Rad fährt. Zumindest in Wien. (und so mancher großen Stadt)

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