Warum bloggt man, wenn man schon näht?

Letzten Samstag habe ich auf dem 1. Wiener Schneidereimarkt einen Vortrag gehalten. Thema: Bloggen und Nähen: Warum bloggt man, wenn man schon näht?

Da ich weiß, dass einige von euch den Vortrag gerne gehört hätten, habe ich mich gestern hingesetzt und ihn aufgeschrieben, bevor ich ihn vergesse.

Für euch ihr Lieben!

Ich hoffe ihr habt Spaß!

Eure Susanne

Warum bloggt man, wenn man eh schon näht?

Also wenn man ja schon ein Hobby hat. Warum hängt man da noch was dran?

Für mich haben sich, nach einigem Nachdenken, zwei Gründe, zwei Antworten herauskristallisiert. Eine kausale Antwort, eine für den Anfang, ein Grund, warum ich begonnen habe zu bloggen. Und, weiter voran in meiner Blogger-Timeline dann, ein zweiter Grund, ein ganz anderer. Deswegen blogge ich heute.

Also.

Warum bloggt man, wenn man schon näht.

Nun, ich für mich blogge, weil ich nähe. Ich habe zu bloggen begonnen aus dem Bedürfnis nach Feedback heraus. Feedback von Leuten, die das, was ich da nähe, einzuschätzen wissen. Die womöglich dasselbe auch tun.

Im Kindergarten hörte ich oft (hohe, verdrehte Stimme): „Echt? Das hast DU genäht? Pfoah!“.

Das war zwar sehr nett und erfreulich, aber es war nicht, was ich gebraucht habe. Ich wollte mehr Substrat. Ich wollte über das NÄHEN reden.

Dazu muss man wissen, mein Bildungsweg besteht aus einem neusprachlichen Gymnasium, einem Pharmazie-Studium und einer Online-Marketing-Ausbildung. Nähen kommt da nirgends vor.

Ich hatte null Ahnung vom Nähen, als ich damit begonnen habe. Null. Und eine 99 € – Nähmaschine.

Ich gehöre zu den Menschen,  die „absteppen“ gegoogelt haben. Und wenn man Sachen wie „absteppen“ googelt, dann kommt man früher oder später über eine Schritt-für-Schritt – Anleitung oder ein How-to-Video auf einen Näh-Blog.

Das war schon vor 8 Jahren so.

Ich wusste also, dass es diese Leute gibt, die, wie ich, die Kleidung für ihre Kinder nähen. Von denen wollte ich Feedback.

Also habe ich mit dem Bloggen begonnen. Denn, genauso wie man sich das Nähen im Netz beibringen kann, geht das auch mit dem Bloggen. Alles da. Kann jeder lernen.

Jetzt weiß ich ja, dass hier einige Blogger im Publikum sind und die wissen ja genau, wovon ich rede, aber einige wissen vielleicht nicht ganz sicher, was ein Blog ist. Deswegen hier jetzt eine Mini-Einführung.

Ein Blog ist eine Website im Internet. Eine Art Online-Tagebuch. Ich fotografiere ein Teil, das ich genäht habe, füge etwas Text hinzu, und du kommst dann auf die Seite und wenn es dir gefällt, dann kommentierst du. In der Nähbloggerszene ist es üblich, nicht zu kommentieren, wenn es einem nicht gefällt. Wir sind sehr freundlich zueinander.

Wenn du dann nach ein paar Tagen wieder vorbeischaust, habe ich womöglich schon das nächste Teil gepostet. Das siehst du jetzt an erster Stelle und der Post von letztens ist nach unten gerutscht. Am Ende hast du eine lange, lange Schlange an Posts. Der aktuellste ist immer der erste. Das ist ein Blog.

Es gibt wohl ein paar 100 Mio Blogs. Zu jedem nur erdenklichen Thema.

Es gibt IT-Blogs … „Wie knacke ich mein iPhone?“, politische Blogs, Blogs mit Legobauanleitungen, Blogs zum Thema Zigarren rauchen. Alles da. Keine Grenzen.

Die großen Themen, also die Themenbereiche, wo es Blogs gibt, die dann in den Zeitschriften erwähnt werden und von denen wir hören, dass sie ganz viel Geld damit verdienen, sind Food, Fashion, Lifestyle und Interior Design.

Da gibt es Blogs, die haben Millionen Leserinnen, und ja, die machen richtig Geld damit.

Und da ist sie schon: die Frage, die jeder Blogger einmal beantworten muss.

„Kann man mit Bloggen Geld verdienen?“

Nun, ich bin Online-Marketing-Manager. Klar kannst du mit Bloggen Geld verdienen. Es gibt grundsätzlich zwei Wege. Entweder du hast einen Shop und verkaufst etwas oder du machst Werbung.

Egal, welchen Weg du gehst oder welche Kombination du dir zusammenstellst, es wird dir nicht viel bringen, wenn du 5 Leser hast.

Auch mit 500 Lesern kannst du noch nicht viel anfangen. Ab 5000 kannst du dir eine Art Zubrot verdienen. Genug zum Leben wirst du machen können ab 50.000, besser 500.000 Lesern.

Und da liegt der Wurm begraben, denn 500.000 Leser oder 50.000, die muss man erst mal haben.

Weiters ist die gesamte deutschsprachige Nähblogger-Community gar nicht so groß. Die schwankt wohl, je nach grundsätzlicher Definition (Ab wann ist man noch/schon ein Nähblogger?) zwischen 5.000 bis zu 10.000 Blogs.

Daher ist das mit dem Geld nicht so einfach. Nur zur Info.

Die Nähblogger-Community, von der ich rede, in der ich mich bewege, ist eben die deutschsprachige. Das hat zur Folge, dass, was ich auch poste, meine Leser zu ca. 80% aus Deutschland kommen. Die Sprache ist die Grenze, nicht das Land. Aber, bei genauerer Beobachtung, kann man deutsche und österreichische Blogs im Moment auch ganz gut unterscheiden. Der „klassische“ deutsche Blog  wirkt sehr professionell. Hat ein Design, ein Layout, das klar ist, mit Struktur. Der Trend geht Richtung Kommerzialisierung.

Der österreichische Blog ist deutlich schmuddeliger, nicht ganz so chic, aber sehr kreativ. Viel mehr bio und Upcycling. Im Moment findet man hier mehr Inspiration. Aber die Bloggerszene ist nichts Fixes. Das bewegt sich ständig.

Neu dazugekommen sind im letzten Jahr junge Bloggerinnen. Also Frauen zwischen 20-26. Die gab’s früher nicht.

Für mich, als Online-Marketing-Mensch, ist das sehr interessant, denn der Zugang dieser Frauen zu den Online-Medien ist ein ganz anderer. Die schießen Facebook, Instagram & Co. aus der Hüfte. Man merkt das.

Es wird sehr interessant zu beobachten, wie sich die in die Gruppe einfügen bzw. wie die von der Gruppe aufgenommen werden über die Jahre. Es bleibt alles in Bewegung.

Wie man es auch immer betrachtet, es gibt viele, viele verschiedene Blogger innerhalb der Nähblogger-Community und daraus ergibt sich für mich die zweite Antwort auf die Frage, warum man bloggt.

Für mich.

Also,

stellt euch vor, alle Menschen in eurem Leben sind ein Stück Sachertorte. Ich bin Wienerin. Ich mag Sachertorte.

Also da gibt es einen Haufen Teig-Leute. Teig ist gut. Dann gibt es Marmelade-Leute und Schoko-Leute. Wer Glück hat, hat auch ein paar Schlagobers-Menschen in seinem Leben.

Ich für mich mag die Schoko-Marmelade-Schicht am liebsten. Nicht nur Schoko, nicht nur Marmelade. Ich mag die Schoko-Marmeladinger. Das sind jene Menschen, die speziell für mich sind. Schoko-Marmeladinger mit Schlagobers – das sind meine besten Freundinnen. Das sind jene Menschen, bei denen ich einen Satz beginne und sie ihn beenden. Jene Menschen, die an meinem Hallo, wenn ich bei der Tür reinkomme, schon alles wissen, das mir gerade auf der Seele liegt.

Klar?

Also.

Das wird jetzt ein bissi persönlich, aber da müsst ihr jetzt durch.

Ich habe meine eigene Art zu texten. Das muss nicht jedem gefallen, aber ich für mich spiele gerne mit Worten. Ich verdrehe sie, kreiere auch mal was Neues. Wenn ich also einen Post schreibe auf meinem Blog – ihr müsst euch das gemütlich vorstellen: Homewear, Haare unsortiert, null Make-up – also wenn ich da sitze und einen Text zu einem Bild verfasse, dann kommt das einfach aus mir raus. Und ab und dann, wenn ich halt ein Wort verdrehe, dann kichere ich glücklich in mich rein.

Die Schoko – Marmeladinger unter meinen Leserinnen jetzt, die kichern, wenn sie meinen Post lesen, an derselben Stelle. Und wenn sie mir das schreiben – per Kommentar oder Mail – dann ist meine Welt ultimativ in Ordnung. Absolut. Erfüllt.

Sie kichern an derselben Stelle – ein unbezahlbares Gefühl.

Ich habe durch das Bloggen Frauen kennen gelernt, die ich in meinem „normalen“ Leben niemals getroffen hätte. Ich habe durch das Bloggen mehr Schoko-Marmelade auf meiner Sachertorte.

Für mich gibt es zurzeit keinen besseren Grund, um zu bloggen.

Und damit ihr seht, dass es nicht nur rosarot zugeht in der Bloggerwelt, jetzt ein harter Themenwechsel.

Eine Sache liegt mir nämlich sehr am Herzen, seit ich selber Kleidung nähe. Und das ist die so genannte „fashion industry“, die Bekleidungsindustrie.

Jene Industrie, die seit Jahren die Preise am Markt so stark nach unten drückt, dass Kleidung noch nie so billig war wie heute. Trotzdem macht diese Industrie jedes Jahr nachweislich Milliardengewinne.

Wie das möglich ist, wissen wir alle. Es liegt daran, dass diese Industrie produzieren lässt in Ländern, in denen Frauen 60, 70 Stunden pro Woche arbeiten müssen. Jeden Tag. Und dabei verdienen sie gerade so viel, dass es zum Sterben nicht reicht. (Pause)

Diese Frauen wehren sich sehr wohl. So gut es halt geht. Sie protestieren und schreien in ihrem Leid, aber die Industrie denkt sich: „Lasst sie nur schreien, die sind am anderen Ende der Welt. Wir hängen bei uns ein paar bunte Plakate auf und schon hört niemand mehr diese Schreie!“ (Stille. Pause)

Ich kann diese Schreie nicht abstellen und ich will es auch nicht. Aber was soll ich denn schon tun? Alleine. Ich Wiener Mama! Ich bin nicht der Typ, der sich ein Totenkopfschild malt und damit vor der H&M-Filiale auf- und abtrabt.

Ich lese Bücher.

Harry Potter Band 4, Mad Eye Moody sagt zu Harry Potter: „Play to your strength!“ – Nutze deine Stärke!

Ich bin eine Nähbloggerin. Ich kenne andere Nähbloggerinnen. Ich weiß, dass wir einiges gemeinsam haben. Sie kichern an derselben Stelle wie ich. Womöglich weinen sie ja auch an derselben Stelle.

Also habe ich „This is not okay“ gestartet. Eine Serie mit Information zu dem Thema. Und es kam etwas zurück. Und ich habe wieder geschrieben und es kam wieder etwas zurück.

„Play to your strength!“

Was tun Nähblogger?

Nun, wenn sie sich ein Outfit genäht haben, dann ziehen sie es an, stellen sich hin (Pose) und sagen: „Schatzi, machst du ein Foto von mir?“

Was, wenn wir einen Katalog veröffentlichen? Einen digitalen Katalog, wir sind ja alle online. Ein Gegenstück zu den Katalogen, die regelmäßig in unseren Briefkästen liegen.

Was, wenn auf jeder Seite dieses Katalogs eine Bloggerin zu sehen ist? Eine richtige Frau, kein 17-jähriges Model.

Was, wenn jede dieser Bloggerin nur selbst genähte Kleidung trägt oder fair produzierte. Und das inkludiert die Schuhe.

Dieser Katalog ging letzten Herbst online. So sieht er aus (ich halte die Druckversion hoch) Auf jeder Seite eine Bloggerin. Dabei steht, weil das bei uns so üblich ist, das verarbeitete Schnittmuster, und unten ist der Link zu ihrem Blog.

Klickt euch durch, aber ich sage gleich, es dauert. Es haben knapp über 300 Damen an dieser Protestaktion teilgenommen.

300 Frauen, 300 Outfits, 300 Beiträge zum Thema.

Warum ich blogge?

Ich blogge, weil ich nähe,

und weil ich Sachertorte mag!

Danke

Meinen Bericht vom Markt findet ihr hier: 1. Wiener Schneidereimarkt