Wenn man, so wie ich, regelmäßig schreibt, kommt man zwangsweise viel mit der eigenen Sprache in Berührung. Man plagt sich mit Grammatik, Rechtschreibung und Punktuation. So ist halt das Deutsch, das wir alle in der Schule gelernt haben. Das „Deutsch“ wie es unfanfechtbar im Duden steht. Fix.
Schreibt man dann aber auch mal abseits der berichtenden Schreiberei und ist man zudem so einen Tick mehrsprachig, dann können schon sehr schräge sprachliche Gefühle entstehen. Das wusste ich nicht, bis es mir „passiert“ ist.
Mir fällt schon seit Jahren auf, dass ich, wenn ich emotional werde, einfach ins Englische wechsle. HoppZack! Und englisch. Einfach so. Ich fand das witzig, vielleicht sogar cool, weil „mehrsprachig“ und so. Eitelkeit. Stolz, dass mein Hirn in 2 Sprachen denken kann.
Lange habe ich mir weiters nicht viel dabei gedacht. Aber irgendwann wollte ich es dann doch wissen: Wieso mach ich das? Und ich begann mich zu beobachten. Wann passiert es? Und eben auch: Was passiert wenn ich mich zwinge zurück ins Deutsch zu wechseln?
Und obwohl dieser Retour-Wechsel problemlos möglich ist (Anmerkung: Ich halte mich für einigermaßen eloquent), so war doch klar erkennbar, dass ich gefühlt im Deutschen meine Emotionen nur zu … na sagen wir … 90% auszudrücken imstande bin, wohingegen im Englischen es mehr so die 98% sind. Daumen mal pi, bitteschön.
Und daraufhin habe ich wohl begonnen die Sprache, in der ich schreibe genauer zu betrachten. Zu fühlen, ob es denn auch beim Schreiben, beim Texten Unzulänglichkeiten für mich gibt. Exakter ausgedrückt: die Diskrepanz zwischen dem, was ich sagen will und dem, was ich sagen kann.
Will ich, zum Beispiel, von den Wahlen in den USA berichten, dann ist es oft das Inhaltliche, das mich fordert. Komplexe Gesetzeskonstrukte bzw. -abläufe, ehschonwissen, diese Ecke. Mein Deutsch ist gefordert, aber ich krieg’s am Ende einigermaßen hin, zu sagen, was ich zu sagen gedenke. Man, also in diesem Falle ich, kann einigermaßen deutsch berichten.
Schreibe ich von mir, von meinem Leben als Mutter, als Frau, von irgendwelchen emotionalen Erlebnissen, dann … kratzt es manchmal. Irgendwann im Zuge meiner Sensibilisierung für das Thema, habe ich es gespürt. Es kratzt.
Aber was kratzt da, bitteschön? Und wieso?
Das hat mich dann doch solide überrascht, auch weil ich nie darüber nachgedacht hatte. Und worüber man nicht nachdenkt, das gibt’s halt auch irgendwie nicht. Aber dieses Kratzen ist real und es macht mich neugierig.
Nocheinmal: Es geht vielleicht darum zu erkennen, dass es überhaupt kratzt. Das Deutsche ist für mich lange – wie man so sagt – in Stein gegossen gewesen, sodaß es ein „Kratzen“ per se eben gar nicht gab.
Nur durch meinen Blick rüber aus dem Englischen kannte ich diese Unausgeglichenheit zwischen dem, was ich zu sagen versuche und dem, was ich überhaupt sagen kann, weil die Sprache halt einfach nicht mehr hergibt.
Dann, wie es halt immer so ist im Leben, stolperte ich im Internet irgendwann über so eine Liste von Worten, die es nur in einer Sprache gibt. Und da, meine Lieben, gehen jemanden wie mir die Augen auf. Es gibt im Japanischen zum Beispiel ein Wort für das eigenartige Gefühl nach dem Friseurbesuch, wenn man meint hinterher noch blöder auszuschauen wie vorher.
Jeder kennt doch dieses Gefühl. Und nur die Japaner haben ein Wort dafür.
Kommt mir jetzt bloß nicht mit: „Solche Worte brauchen wir nicht!“ oder sowas. Worte kann man nie genug haben. Es gibt ganz viele Dinge/Situationen, die es in Worten nicht gibt. Als Allererstes fiel mir sofort ein – festhalten Mutterinhalt – das Gefühl, das eine überkommt, wenn sie an ihrem Baby riecht. Nicht, wie das Baby riecht, sondern vielmehr, was es mit einem macht. Dieser Instinkt, diese Kraft, diese Wärme, dieser direkte Draht ganz tief in einen hinein. Ich habe nie etwas Intensiveres gespürt.
Es müsste dafür ein Wort geben. Fix.
Oder, von mir aus, nehmen wir die Überzeugung und Sicherheit mit der Kinder manchmal Dinge tun. Sie stehen auf und gehen los und … retten die Welt. Holen die Puppe, die der Freundin weggenommen wurde, wieder zurück und nichts und niemand kann sie aufhalten. Oder sie steigen auf ein Rad und fahren los. Einfach so. Obwohl sie es noch nie gemacht haben. Sie wollten es eben jetzt tun und dann … Wie heißt diese unendlich sichere, grenzenlose Überzeugung.
Wie heißt das Bedürfnis jemanden anzuschimpfen, der einen gerade mit dem Auto geschnitten hat? Jaja, man ärgert sich, man hat einen Schreck und, und, und … aber es ist doch ein ganz typisches Gefühl. Irgendeine Art von Stressabbau. Es könnte doch ein Wort dafür geben. Es ist im allgemeinen ja besser, wenn man Dinge beim Namen nennen kann. Das gilt doch ganz besonders für negative Gefühle.
Ich meine ja mittlerweile, gäbe es Worte für alle diese Situationen, würden wir uns allesamt anders ausdrücken. Und wenn wir uns alle anders ausdrücken, dann .. ist eben auch alles anders. Da hab’ ich Null Zweifel.
Gibt es kein Wort, dann gibt es das Ding nicht. Will ich so eine Situation dann beschreiben (Beispiel Baby riechen), dann muss ich da Seiten füllen. Und das, wo doch alle Mütter wissen wovon ich rede. Ein Wort und ich könnte die Geschichte weiter erzählen um die es mir eigentlich geht. Aber ich schreibe gegen eine Wand an um das Gefühl zu umschreiben. Und da reden wir nur von einer Grenze, an die man stoßen kann.
Versteht ihr was ich euch da sagen will? Gibt es kein Wort, ist es schwer Dinge auszudrücken. Das ist eine Unzulänglichkeit die unfassbar einschränkend wirkt. Wenn man nämlich bedenkt, dass, wenn man so ganz normal sein Leben in der eigenen Muttersprache dahinlebt und nie darüber nachdenkt, dann lebt man sprachlich irgendwie in einer Zelle, deren Gitterstäbe man nicht sehen kann.
Denn…
Wenn es mich kratzt, weil ich Sachen nicht so recht sagen kann, wie ich sie sagen möchte und ich habe das 50 Jahre lang nicht bemerkt. Was, bitteschön, kann ich noch alles nicht in Worte fassen, nein, viel ärger noch, nicht in GEDANKEN fassen, schlicht, weil meine Sprache an dieser Klippe einfach aufhört?
PS.: Ich bin jetzt ehrlich neugierig, ob das hier irgendeine von euch da draußen versteht, oder auch so, oder eben gar nicht so sieht. Ich hoffe nur inniglich, dass ich euch nicht völlig wirr geschrieben habe damit und wenn doch, dann hoffentlich im positiven Sinne. HACH…..