Aus dem Leben einer Familie »Der Schweinsbraten Frieden«

 

Wer mehr als ein Kind daheim hat, der kennt sie, die Geschwisterstreitereien. Geschwister streiten sich ob der geringfügigsten Obskuritäten. Da summt wer zu laut, da isst jemand falsch, da hat jemand die letzte Mandarine einfach so gegessen, da stehen Schuhe vom Bruder/von der Schwester in der Garderobe, da hat jemand das Licht abgedreht, da hat jemand das Licht aufgedreht, das Fenster ist offen, das Fenster ist zu, die Tür wurde zu laut geschlossen, die Tür wurde nicht geschlossen, da geht jemand, da sitzt jemand, da atmet jemand … sucht es euch aus, wenn es darum geht dem Geschwisterkind etwas anzuhängen, dann sind die Grenzen des Denkbaren bis zur Untkenntlichkeit verschoben.

Es geht wohl im Wesentlichen um die Existenz. Die Eigene sowie die des Anderen. Die Eigene ist wichtig, die Andere stört.
Und diese Störung sitzt einem bei Tisch gegenüber. Sie isst, sie kaut, trinkt,  klappert mit dem Besteck und redet mit Essen im Mund. Ich meine ehrlich, wer kann es einem da übel nehmen, dass man pflichtbewußt auf derlei Verstöße hinweist. Weil schließlich weiß man ja was sich gehört. Dass man selber mit dem Besteck klappert und schmatzt, tut dabei nichts zur Sache. Wieso auch?

Also wird bei einem für die Eltern schmerzhaften Prozentsatz der Mahlzeiten über den Tisch hin- und hergegiftelt. Es ist eine Art Kampfsport, der auf der Matte der elterlichen Nerven ausgetragen wird. Ziel ist es dabei ganz gewöhnliche Sätze wie „Kann ich mal die Butter haben, BITTE?“, mit dem höchstmöglichen Level an Boshaftigkeit zu versehen.
Jugendliche sind in dieser Disziplin unschlagbar. Sie sind an Impertinenz, Selbstbewußtsein und Kampfeswillen kaum zu überbieten, geschweige denn im Griff zu behalten und somit an jedem vernünftigen Esstisch eine Qual.

Ist man Kampfsportrichter dann wird ein Sonntag-Mittagessen so ganz schnell zum Punktewertkampf, ist man eine „normale“ Person versaut einem der Nachwuchs schon mal die Mahlzeit.

Umso mehr verblüffen dann jene Gelegenheiten, an denen es bei Tisch kein Gemetzel gibt. Dann ist entweder die zubereitete Mahlzeit ein Liebling aller und somit einfach alle mit dem Essen per se beschäftigt, Kämpfen würde einfach nur stören … oder …  es handelt sich eben um einen der seltenen Momente des sogenannten Schweinsbraten-Friedens.
Das sind jene Momente, in denen nicht nur Ruhe herrscht, sondern auch Frieden. Und zwar spürbar. Frieden. Es wird nicht nur nicht geredet, weil Essen vorrangig und Kämpfen nachrangig ist. Nein, es wird nicht geredet und gekämpft, weil niemand kämpfen will. Weil Friede herrscht.

    Bevor noch drei Bissen gegessen wurden, war bereits vereinbart, ohne je ein Wort darüber gewechselt zu haben, dass keine Auseinandersetzung nötig ist, dass hier und jetzt einfach nur Entspannung auf der Tagesordnung steht.
Ein völlig irres, geradezu abartiges Szenario in einem Haushalt mit 2 oder mehr Jugendlichen. Ein Szenario, dass nur bestimmte Gerichte, und das auch nicht jedesmal, auszulösen vermögen.

Der Kampfsportrichter kann dann eingepackt bleiben, er wäre nutzlos, wobei .. bei genauerem Hinschauen ist er soweiso auch glücklich mit Mampfen beschäftigt.