Demos in WIEN: Dinge, die man nur kennt, wenn man in der Großstadt lebt

Das Leben in der Großstadt hat so seine Vorteile. Nachteile hat es vermutlich auch, aber darauf konzentriere ich mich nicht wirklich. Warum auch? Die Vorteile überwiegen für mich ganz klar. Ich bin eine Stadtbiene und weil Wien in Österreich die einzige wirklich ernstzunehmende Großstadt ist, kommt man hier in den Genuß einiger Großstadtbesonderheiten.

So wird zum Beispiel in Wien demonstriert. Und jetzt hör’ ich sie schon aufjaulen. Die Grazer, die Innsbrucker und was sich sonst noch so gerne städtisch messen möchte mit Wien: „Bei uns wird auch demonstriert!“
Nein, Leute, ihr habt keine Ahnung, was es heißt, wenn dreimal die Woche der Ring abgesperrt wird. Ihr wisst nicht wie bemitleidenswert eine Demo für den Kampf im Iran aussehen kann. Ihr wisst nicht, dass die Kurden regelmäßig vor der Oper stehen oder wenn es eine halbe Stunde nachdem die Esoteriker in Schlapfen und Dreadlocks vorbeigezogen sind, noch nach Räucherstäbchen riecht.

Ihr seht sie nicht, die Rechtsradikalen, die gewaltbereit und unfassbar toxisch maskulin in Militärboots und ohne Haaren auf dem Kopf zwischen den Palais der Stadt marschieren.
Ihr musstet nicht, als die Quer“denker“ jede Woche einmal die Innenstadt lahmlegten, eure Einkaufstripps nach deren Befindlichkeiten planen, Umwege gehen, weil man nämlich eine derartige Demo nicht so einfach durchqueren konnte. No, no, no, no, no. Das war keine angenehme Stimmung dort.

Auch hier auf dem Bild unterm Steffl eine Demo. Es war eine von dreien an diesem Nachmittag in der Wiener Innenstadt!

Demonstiert wird in Wien, weil nur dort zählt es wirklich. Und wenn man demonstiert, dann am Ring, wenn irgend möglich. Genug Leute muss man halt z’samkriegen. Wenn’s ein bissi weniger sind, dann kriegen sie einen Platz zugewiesen. Oder sie suchen sich einen aus, keine Ahnung wie das lauft.
Dann stehen sie vor der Oper, vor der Albertina, vor dem Museumsquartier und schwenken ihre Fahnen. Apropos Fahnen: es ist hilfreich fahnenbewandt zu sein, sonst hat man nämlich keinen Dunst, wer hier gerade für etwas kämpft. Und ja, ich rede hier von Länderflaggen.

Generell kann ich bestätigen, dass häufiger demonstriert wird als früher. Wobei ich mit früher wohl so vor 20 Jahren meine. Zu bedenken ist, dass der Österreicher nicht so der Demonstrant ist.

Mit den Demonstrationen ist das so eine Sache. Ich finde sie gut, weil ich der Meinung bin, man solle für Dinge einstehen können und dürfen. Man kann auch schon mal die, in Österreich eh tendenziell sehr ruhende, Gesellschaft auf Dinge aufmerksam machen. Auf der anderen Seite widerum stören sie mich dann doch ein bissi. Ich bin da ganz ehrlich mit euch. Sie stören mich jetzt nicht irre. Nein, das nicht. Hm, wie sag’ ich’s: ja. Sie kratzen. Wie so ein Wollpulli der minderen Qualität.
Wobei ich weiters gleich anschließen möchte, dass es wohl um genau dieses Kratzen ja geht. Es soll ja kratzen. Sonst wär’s ja wurscht. Wer demonstriert will ja eher nicht, dass die Anderen ein honigwarmes Bauchgefühl haben. Es geht ja darum zu schubsen, aufmerksam zu machen. Und als Couchpotato oder so .. kratzt’s dann halt.
Ich bin da sehr gesättigtes Gesellschaftsmitglied. Aber ich akzeptiere dieses Kratzen. Und ich denke auch mal drüber nach, wofür da auf die Straße gegangen wird.

Und dieses Nachdenken, das ist es doch worum’s geht. Egal wie Kratz.
Soweit so – mitten in der Großstadt.

Mein Blick auf die Demonstrationen ist aber ein innerwienerischer. Will sagen: ich krieg’ die Häufigkeit und die Vielfalt mit. So wie die Anderen, die in der Inneren Stadt leben oder arbeiten. Wer in Transdanubien oder überhaupt außerhalb der Stadt residiert, der bekommt davon nur mit, wenn in den Nachrichten berichtet wird, was bei etwa 98% der Demonstrationen gar nicht der Fall ist. Und das ist es, worum es mir heute geht.
Weiters werden die Demos bemerkt von denen, die irrigerweise meinen, sie müssten unbedingt mit dem Auto bis mittenrein in die Stadt fahren und die sich dann überrascht vor einer Absperrung stehend wiederfinden.
Da kratzen die Demos dann schon ganz fest, was man gut sehen kann, wenn man an der Stehkolonne vorbeigeht. (Ich verkneife mir den Grinser hier nicht!)

Die Vielfalt der Menschen in unserem Land demonstrieren! Und das dem so ist, sieht man im vollen Ausmaß eben nur in Wien. Leider! Ich denke aber; ihr da draußen *winkewinke, solltet das wissen. Weil das Zielpublikum sind ja wir schließlich alle.

Ihr solltet wissen, dass es Demos gibt, die aus 40 Leuten bestehen und dass die dann, eskortiert von 10 Polizisten quer durch die Innenstadt stapfen. Durchaus schon mal nur am Gehsteig. NICHT MAL AUF DER STRAßE! Mitten durch die Touristen, direkt vor den Stephansdom. Und ihr solltet wissen, dass das häufiger stattfindet, als ihr euch das so denkt. Sie singen, sie rufen, sie tanzen auch mal, sie sind manchmal verzweifelt, manchmal dramatisch ruhig. Sie sind jung und alt und tragen Kostüme oder verhüllen sich.
Wien ist der Ort in Österreich an dem die Leute sich bemerkbar machen.

Gern geschehen!