gelesen KW 50 – The Great Resignation {Amerika kündigt}

Im September haben in den USA 4,4 Millionen Menschen ihren Job gekündigt. Das Monat davor 4,3 und im Oktober dann nochmal 4,2 Millionen. Da passiert also gerade was. Arbeitmarktumwälztechnisch.

Was ist das los? Warum hauen die alle ihre Jobs hin? So viele. Und warum jetzt?

 

Nun
Da gibt es einmal jene Leute, deren Job eigentlich näher an der Ausbeuterei ist, als einem Arbeitsverhältnis. Kellner, Putzkräfte, diese Ecke. Die Leute verdienen wenig, arbeiten viel, sind weder krankenversichert noch haben sie Anspruch auf Urlaub. Wenn so jemand krank wird (oder sein/ihr Kind), dann kriegen sie keinen Lohn. Punkt. Den Arzt müssen sie selber bezahlen und auch Medikamente. Wobei ich anmerken möchte, dass die amerikanischen Medikamentenpreise ein Vielfaches von dem sind, was wir hier gewohnt sind.
Als die Pandemie und die Lockdowns kamen, wurden diese Leute einfach gekündigt. Eh klar. Dass diese Mitarbeiter sich die Zeit genommen haben, etwas Besseres zu finden, kann ja kaum überraschen.

Dann gibt es jene, die einen „guten“ Job hatten. Besser bezahlt, versichert. Leute, die sich ein Haus, zwei Autos, die Privatschule und ein Leben leisten konnten. Wobei. Wenn man sich so durch die Berichte liest, dann arbeiteten die Menschen viel zu viel. Weit mehr als 38 Stunden oder so. Sie hatten zu reisen und das ständig. Sie hatten immer vollen Einsatz zu zeigen. 110%. Sie berichten davon noch nie – NOCH NIE – ihre Kinder von der Schule abgeholt zu haben. Dazu fahren sie täglich stundenlang im Auto herum. Sei es zu Kunden, sei es um ins Büro zu fahren. Die USA sind groß und die Wege länger, ein Öffinetz gibt es nicht und so müssen alle Auto fahren und damit .. im Stau stehen.

 
Im Lockdown haben diese Leute gesehen, dass sie ihren Job im Home Office machen können. Zumindest teilweise. Sie haben gesehen, dass sie für ihre Familie da sein können. Und Nachdenken war auch möglich. Was ist mir die Zeit mit den Kindern wert? Komme ich mit weniger Geld auch aus? Wofür gebe ich mein Geld eigentlich aus?
Vor allem Frauen und hier die Mütter haben den Job daraufhin hingeschmissen. Sie haben sich selbstständig gemacht oder einen Job näher am Daheim angenommen, der nicht so viel Zeit in Anspruch nimmt. Die Zahl der Firmengründungen ist enorm gestiegen. Die Arbeitslosigkeit ist gerade auf einem Rekordtief.
Es schaut also so aus, als könnten sich’s die Menschen tatsächlich aussuchen .. und nach Möglichkeit auch verbessern. Wobei verbessern hier nicht nur „mehr Geld“ bedeuten kann.

 

Und dann gibt es noch jene Gruppe von Arbeitnehmern, die einfach früher in Pension gegangen sind. Sie haben ihr Haus verkauft, ihren Pensionsfonds genommen und zogen nach Florida. Oder sie kauften sich so einen Riesenwohnwagen und fahren seither durchs Land. Frei nach dem Motto: „Bevor mich die Krankheit in den Sarg drückt, lass’ ich es mir noch gut gehen!“
Es sind mehr als doppelt so viele Menschen in Pension gegangen, als „dran gewesen“ wären. Das spürt man am Arbeitsmarkt. Verstehen kann man es trotzdem.

Dass diese Umwälzung den Arbeitgebern nicht entgangen ist, lasst sich gut an der Supermarktkette „Walmart“ erkennen. Der größte, private Arbeitgeber in den Staaten bietet jungen Menschen mittlerweile Teilzeitjobs an und dazu gleich ein Programm, indem er für sie die Collegegebühren, inkl. anfallender Bücherkosten übernimmt. Eine große Sache.

Der Kampf um die Arbeitskräfte hat also begonnen.

Es wird abzuwarten sein, wie sich das in der nächsten Zeit entwickelt.

Interessant ist es ja jetzt schon.

gelesen:

CNN Business: America’s job openings jumped to 11 Million in October

Fred: Economic Data: Quits: Total Nonfarm

Federal Reserve Bank of Atlanta: Wage Growth Tracker

NYT Opinion: Why Workers are Quitting – Is the Great Resignation a Great Rethink