USA in der Krise – Teil 2: Der Blick auf die GEGENWART, in der sehr wenig passiert

Vor diesem Post, ich gebe es ehrlich zu, hatte ich doch ein wenig Schiss. Ich habe darüber so viel Verschiedenes gelesen und die Zahl der aufzuzählenden Aspekte ist einfach enorm, das Thema vielschichtig, sodaß ich Sorge um die Übersicht und die Verständlichkeit hatte. Aber trotzdem. Ich stürze mich da jetzt drauf. Punkt.

Letztes mal habe ich euch dargelegt, was die Trump Regierung, und allen voran natürlich der Präsident selber, alles unternommen haben um an der Macht zu bleiben. Noch heute kommen regelmäßig Details zu Tage, die einen das Gruseln lehren.

Wie skrupellos der Donald auch war, er konnte die Wahl nicht drehen. Das Wahlsystem, die Gesetze und nicht zuletzt all die Menschen, die wichtige Schnittstellenpositionen innehatten, hielten seinem Druck stand.

Folge 2: 

The Big Lie

Die Wahl 2020 war also mit Blick auf die Integrität ein Gewinn. Man kann es aber auch so sehen: sie war ein Erkenntnisweg für jene, deren Integrität nicht so makellos ist und die bereit wären undemokratischere Wege zu beschreiten.

Für diese Personen wurde in dieser Wahl offenbar, an welchen Schrauben gedreht werden müsste um beim nächsten mal dann eben Mittel und Wege zu haben die Wahl so ausgehen lassen, wie sie sich das wünschten.

Als Mittel zum Zweck dient die „Big Lie“. Das Märchen oder besser die Lüge, die die Republikaner seit der Wahl in einer Endlosschleife wiederholen. Die Wahl 2020, so behaupten sie ohne jemals einen Beweis dafür vorgelegt zu haben, sei „gestohlen“ worden. Gerichtsurteile und Wahlprüfungsberichte, die diese Aussage eine Lüge strafen, werden konsequent ignoriert.

Sidekick:

Es ist ein bekanntes Muster, das da gemalt wird: Ich erzähle eine Lüge solange, bis ein %satz der Bevölkerung sie glaubt und dann benutze ich wiederum diese Menschen als Rechtfertigung um Dinge gesetzlich zu verändern und in meinem Sinne anzupassen. Alles mit dem Argument „Das ICH ja der Einzige bin, der die Bedenken der Menschen ernst nimmt!“
(Wem kommt das bekannt vor?)

Und da die Republikaner in der Hälfte der Bundesstaaten die Landesregierungen stellen, haben sie die Möglichkeit je nach Grad der Skrupellosigkeit Schritte zu setzen, die kommenden Wahlen schon im Vorhinein für sich zu beeinflussen.

Die Frage lautet daher:

KÖNNEN die REPUBLIKANER das WAHLSYSTEM zu ihren GUNSTEN KIPPEN oder SCHAFFEN es die DEMOKRATEN sie daran zu HINDERN?

Prinzipiell hat mich die Anzahl der zur Zeit vorbereiteten oder bereits beschlossenen Gesetze rund um die Wahl überrascht. Man würde ja meinen, dass in der ältesten Demokratie der Welt sowas Fundamentales wie die Wahlen, eine längst geregelte Geschichte seien. Dem ist offensichtlich nicht so.

Es ist wichtig vorrauszuschicken, dass nicht nur restriktive Gesetze beschlossen werden. Nein, es gibt reichlich Gesetze, die auch weiterhin das Wählen erleichtern sollen. So wurden im Jahr 2021 286 Gesetze in 30 Bundesstaaten erlassen, die den Zugang zur Wahl erleichtern. Für dieses Jahr stehen bereits 400 weitere Entwürfe in 32 Staaten auf der Agenda.

Ruhe im Gesetzesdschungel schaut anders aus.

Wir wollen heute aber einen Blick auf Gesetze werfen, die die Wahlmöglichkeiten einschränken.

Wie klaut man eine Wahl?

Es wirkt auf mich wie eine Kunst die richtigen Wähler von der Wahlurne fernzuhalten ohne dabei offensichtlich rassistisch zu agieren. Denn das ist mittlerweile verboten. Und so ist man genötigt möglichst viele Hindernisse aufzubauen. Hürden, die möglichst nur jenen im Weg stehen, die einen nicht wählen.

Diese Praxis ist für die Vereinigten Staaten wahrlich kein Neuland. Schaut man auf die Geschichte zurück, dann ist es ein Kampf. Immer gewesen. Bis heute.

Noch ein kurzer Rückblick auf die letzte Wahl:

Noch nie haben so viele Amerikaner gewählt. In absoluten Zahlen, wie auch vom Prozentsatz her. Das lag wohl zum einen natürlich an der Polarisation im Land. Die Einen wollten Trump 2 verhindern, die Anderen sicherstellen. Das hat Leute motiviert zur Wahl zu gehen.

Aber es lag auch daran, dass es noch nie so einfach war zu wählen. Wegen der Pandemie wurde der Zugang generell erleichtert. Es war der große Siegeszug der Briefwahl. Und diese ungewöhnlich hohe Beteiligung hat natürlich das Wahlergebnis beeinflusst.

Sehr zum Missfallen der Republikaner. Um das zu sehen, muss man nicht weit hineinlesen in die USA.

Generell werden zwei Ansätze verfolgt, die Wahl in eine Richtung zu „schieben“:

  1. Die Zahl der Wähler einschränken. Nach Möglichkeit, die Wähler der Anderen.
  2. Möglichkeiten schaffen, in den Ablauf der Auszählung und der Zertifizierung einzugreifen.

Die Zahl der Wähler reduzieren

Mit 14 Jänner 2022 lagen bereits 250 restriktive Gesetzesentwürfe in 27 Bundesstaaten zum Beschluss auf. Häufigst anvisierte Angelpunkte sind die Briefwahl und die Ausweise, die zur Identifizierung akzeptiert werden. 

Angelpunkt Briefwahl

Will man also per Briefwahl seine Stimme abgeben, werden in einigen Bezirken und in einigen Bundesstaaten Hindernisse errichtet, wie folgt:

  • Man akzeptiert zur Anforderung einer Briefwahlkarte nur mehr ganz bestimmte Ausweise.                Manchmal sind mehrere Ausweise vorzulegen.
  • Man verkürzt das Zeitfenster, in dem eine Briefwahlkarte beantragt werden kann.
  • Man verbietet den Wahlorganisatoren Briefwahlkarten oder deren Anforderderungsformular     unaufgefordert an registrierte Wähler zu versenden. (Anmerkung: Im Unterschied dazu seien jene 8 Bundesstaaten erwähnt, die komplett per Briefwahl wählen. Automatische Zusendung an registrierte Wähler inklusive.)
  • Man schafft Drop Boxes ab. Drop Boxes wurden in der Pandemie benutzt um Wählern die Abgabe einer Briefwahlkarte zu erleichtern. Sie wurden in Wohnvierteln aufgestellt und machten den Weg zum Wahllokal unnötig. Zudem konnte man häufig 24h am Tag die Karte einwerfen. Was Arbeitnehmern mit harten Arbeitszeiten entgegen kam.
  • Man kann bei der Abgabe der Briefwahlkarte nochmals ausgewählte Ausweise verlangen.
  • Wenn jemand anderer für einen die Karte abgeben will, werden Vollmachten benötigt, manchmal noch Ausweise. Und wer das nicht vorweisen kann, kann strafrechtlich verfolgt werden.

Oder man schließt, quasi durch die Hintertüre, gewisse Bevölkerungsgruppen einfach von der Wahl aus:

  • Studenten, die in einem anderen Bezirk zur Uni gehen, dürfen keine Briefwahlkarte beantragen. (Mississippi) Anmerkung: Die Wahl findet stets an einem Dienstag, mitten im Semester und einem Arbeitstag statt.
  • Pflegepersonen von Kranken oder Behinderten müssen an derselben Adresse wie ihre zu pflegende Person leben um per Brief wählen zu dürfen. (Missouri)
  • In Virgina wird überlegt, die Briefwahl einfach komplett abzuschaffen, wovon besonders ältere und behinderte Menschen betroffen wären.

Angelpunkt Ausweis

Es gibt generell viele Möglichkeiten sich auszuweisen in den Vereinigten Staaten. Die social Security card, Führerschein, „Personalausweis“ genannt state ID und natürlich der gute alte Pass. Es gelten häufig aber auch Bücherei-Ausweise oder derlei, jetzt nicht für Wahl, aber immer noch als Identifikations-Nachweis. Die Erklärung für diese Vielfalt, liegt nicht nur in den 50 Bundesstaaten. Sie wurzelt zum Teil auch darin, dass sich gar nicht mal so wenige Amerikaner, einen staatlichen Ausweis gar nicht leisten können. 

Ein state ID kostet so zwischen 15 und 28 Dollar, je nach Bundesstaat. Und man darf sich selber ausmalen wie das Leben ausschaut, wenn man sich das nicht leisten kann. 2012 hatten wohl um die 3 Millionen Amerikaner keinen staatlichen Ausweis.

Ein weiterer Grund für das Ausweis-Dilemma sind die nötigen Dokumente, die man benötigt um einen Ausweis zu beantragen. Geburtsurkunden sind ein bekanntes Problem. Viele, mittlerweile alte Amerikaner sind vor vielen Jahrzehnten zugewandert. Eine Geburtsurkunde besitzen sie entweder gar nicht oder diese wird einfach nicht als vollwertiges Dokument anerkannt. Diese Leute sind tatsächlich Staatsbürger und haben schon zig mal gewählt, aber einen Ausweis bekommen sie nicht. Fragt mich nicht wie das funktioniert.

Da wir hier aber eigentlich von der Wahl reden, ist mit dieser Hintergrund-Info klar, dass man über den Ausweis die Wähler lenken wird können. Weiße, wohlhabende Bürger haben selten ein Ausweisproblem. Es ist ein Farbiges.

Eingriffe in den Ablauf der Wahl

Dieser Punkt ist so vielfältig und so trocken, dass ich euch nur eine Auswahl an Ansatzpunkten aufzähle. Damit ihr erkennt, womit da alles rumgespielt wird. Wohlgemerkt nicht überall. Es sind immer einzelne Bundesstaaten und Wahlbezirke, die für sich an diesen Schrauben drehen.

Möglichkeiten den Wahlprozess zu untergraben wären folgende:

  • Gesetze, die es ermöglichen eine Wahl von einem Parteiischen beurteilen zu lassen. Also weg vom unabhängigen Wahlkomitee.
  • Neue Möglichkeiten schaffen um eine Wahl anzufechten, sie noch einmal auszählen zu lassen. Dabei die Regeln wie diese Überprüfungen abzulaufen haben möglichst offen lassen.
  • Gesetze, die Wahlhelfer strafrechtlich oder zivilrechtlich verfolgbar machen, einführen, sobald diese kleine Fehler begehen.
  • Möglichkeiten schaffen Wahlbeamte abzusetzen (in New Hampshire darf jeder Bürger einen Wahlbeamten klagen, weil er „seine Aufgabe nicht erfüllt hat“.)
  • man gründet Commissionen, die die Aufgabe haben die „Integrität der Wahl zu beschützen“. Was das genau bedeutet und wie man das macht, darauf geht man nicht ein.

Was halten die Demokraten dagegen?

Nun, in den Bundesstaaten, in denen die Republikaner die Mehrheit besitzen, können die Demokraten nicht viel tun. Ihr Ansatz ist es daher bundesweite Wahlgesetze zu erlassen, die die Basisrechte fix vorgeben und bestimmte Abläufe sicherstellen sollen.

Zwei Gesetze haben die Demokraten ausgearbeitet. Da ist zum einen der

 Freedom to Vote Act

  • Er verhindert, dass die Briefwahl eingeschränkt wird,
  • Macht den Wahltag zu einem Feiertag und
  • stoppt Gerrymandering

Und dann gibt es da noch den 

John Lewis Voting Right Advancement Act

Der würde im wesentlichen den Voting Rights Act wieder in Kraft setzen.

Zum Voting Rights Act habe ich schon mal eine Videoerklärung für euch aufgenommen. Die erste Hälfte des Videos wird euch helfen zu verstehen, was denn der Voting Rights Act eigentlich ist.

Voting rights act – mamimade erklärt die USA

Jetzt werdet ihr euch wohl denken: „Das klingt alles schön und gut. Wo ist also das Problem? Die Demokraten haben ja eine, wenngleich hauchdünne, Mehrheit, im Senat. Sie könnten das Gesetz also einfach beschließen und würden damit all die Bemühungen der Republikaner in den einzelnen Staaten im Wind verpuffen lassen. Wieso ist das also überhaupt ein Thema?“

An dieser Stelle kommt der Filibuster ins Spiel.

The Filibuster

Um die Gesetze zu beschließen brauchen die Demokraten 51 Stimmen im Senat. EIGENTLICH. Uneigentlich brauchen sie 60 Stimmen. Denn die Minderheit im Senat hat das Recht zu filibustern. Was den Preis für ein Gesetz eben auf 60 Stimmen raufschnellt.

Und die 60 Stimmen .. auf die haben sie keine Chance. So eigenartig das von außen auch ausschauen mag. An einer Wahlrechtsreform, die den Leuten das Wählen erleichtert und die ihre Rechte sicherstellen soll, sind die Republikaner ganz offen nicht interessiert.

An sich ja klar, siehe oben, was die alles machen um dagegen zu arbeiten.

Filibuster – mamimade erklärt die USA

Langer Rede, kurzer Sinn: Das Gesetz steht vor einer Hürde, die nicht überwindbar ist, es sei denn …

Nun.. es sei denn, die Demokraten ändern die Spielregeln. Jedes mal, wenn eine neue Regierung ins Amt kommt, stellt diese die Regeln für die Abläufe im Senat auf. Und weil es so üblich ist, behalten sie die im Großen und Ganzen immer bei. So auch den Filibuster. „Wir haben es immer so gemacht, warum sollten wir es ändern?“ Diese Ecke. Sehr einfaltslos. Sehr „traditionell“; wie man das gerne nennt.

Um das Prozedere im Senat zu ändern, benötigt man an sich nur eine einfache Mehrheit. Die Demokraten könnten also den Filibuster abwürgen. Sie brauchen dafür „nur“ ihre 50+1 Stimmen.

Und die haben sie nicht.

Mindestens 2 der demokratischen Senatoren haben nämlich klargestellt, dass sie für eine Veränderung um den Filibuster nicht zu haben sind. (Kyrsten Sinema für Arizona und Joe Manchin für West Virginia)

Die Demokraten raufen sich also die Haare, verhandeln am laufenden Band mit sich selber  und unternehmen bisher gegen die republikanischen Gesetzesumwälzungen .. ja genau .. nichts.

Es ist grausam mitanzusehen. Denn die Realität steht bereits im November auf dem Prüfstand.

Da finden nämlich die Midterm-Elections statt und es wird erwartet, dass die Demokraten ihre Mehrheiten in zumindest einem der Häuser im Kongress verlieren könnten. Gerrymandering und eben die oben erwähnten Gesetzesänderung werden einen Testlauf absolvieren. Die Schlinge um den Hals der Demokratie wird höchstvermutlich ein gutes Stück enger werden.

Falls die Republikaner in den Midterms dick punkten können, bleibt Joe Biden ab dann nur mehr das Mittel des „Exekutive Orders“. Damit kann er kurzfristig an einigen Brennpunkten Feuer löschen. Aber langfristig kann er die Demokratie vor den ganzen konzertierten Angriffen nicht retten.

Ich denke, es ist wichtig diese Zusammenhänge zumindest im Ansatz zu verstehen, dann wundert man sich am Ende doch weniger, wenn passiert, was alles passieren wird .. können. Dazu dann mehr im nächsten Beitrag. Da geht es dann um die Zukunft der USA. Ich hoffe sehr, dass euch meine Beiträge einen Einblick in diese ganze Misere ermöglichen. Auch wenn gerade rundherum so viel los ist. Die USA ist immer noch kein Staat, der im Kleingedruckten erwähnt werden sollte.

Hier eine Auswahl an Artikeln und Studien:

The Brennan Center for Justice – Voting Laws Roundup February 2022

AlJazeera 17.Jänner 2022 – Voting Rights: Is US democracy really in danger?

National Conference of State Legislatures NCSL – Tabel 18: States with all-mail Elections

npr Feb. 2012 – Why Millions of Americans have no government ID