Denkt man an Wohnen in Wien, dann denken die Allermeisten an einen Gründerzeit-Altbau. Hohe Räume, verschnörkselte Treppengeländer, Eingangstore, durch die eine Kutsche passt.
Und ja, dieser Häuser gibt es viele. Aber der größte Teil der Wiener wohnt und jetzt kommt’s, im Gemeindebau bzw. in einem Genossenschaftsbau. Ich wusste ja, das Wien für allerlei Dinge ein Vorbild ist. Bis vor kurzem wußte ich aber nicht, dass die Wohnungsbaupolitik, die die rote Stadtregierung seit den 30ern in Phasen sehr lebhaft umgesetzt hat, auch so eine Vorbildgeschichte war oder auch ist – also international. Bzw. ich wusste schon, dass Wien viel gebaut hat, es war wohl eher so, dass ich nicht wusste, dass das woanders eben nicht so ist. Kurz Wohnungsmärkte gehören nicht wirklich zu meinen Kerninteressen.
Aber neulich dann bin ich wieder mal darüber gestolpert. Wien, die internationale Großstadt, in der die Wohnungspreise – im Vergleich zu anderen Großstädten – nur überschaubar ansteigen. Und alle tröten sie der Grund sei die Wohnbaupolitik der Wiener Stadtregierung.
Nun gleich noch vorab. Mieten in einem Wiener Altbau in den inneren Bezirken sind horrend. Es erschließt sich mir nicht, wie sich die Leute das leisten können. Und für Neubauten gibt es keine Mietobergrenze für die ersten 20 Jahre (soweit ich da richtig informiert bin). Sprich, wer auf dem freien Wiener Wohnungsmarkt ein Plätzle sucht, dessen Börserl kann ruhig ein bissi dicker sein.
Aber es gibt in Wien eben auch das „Wiener Wohnen“. Die Gemeinde Wien ist nämlich der Welt größter Immobilienbesitzer. Wusst ich so auch nicht, ist mir an sich ja auch wurscht, aber weltgrößter klingt natürlich immer gut. Eh klar.
Was das bedeutet habe ich erst verstanden, als ich in den letzten Tagen mal ein bissi in die Materie getaucht bin. (aber nur ein bissi )
Schaut man sich den Stadtplan der Stadt Wien auf ihrer Homepage an, dann kann man sich die Gemeindebauten anzeigen lassen. Und Höllapropölla da sind schon wirklich viele grüne kleine Häuschen eingetragen. Kein Bezirk ohne seine Selektion an Gemeindebauten. Ganze Grätzeln teilweise.
Respekt.
Man kann auch draufklicken auf so ein Zeichen und dann kriegt man Info zu wann gebaut und wieviele Wohneinheiten etc.
Und dann sieht man schnell
- Das Gros ist gebaut in den 30ern und den 50/60er Jahren des letzten Jahrhunderts.
- .. und so schauen die Häuser dann auch aus. Schönheiten sind sie nicht, aber ..
- .. sie sind allgegenwärtig. Ich als Wienerin kenne den Anblick nur zu gut, sodaß ich ihn sehr einfach ausblenden kann
- Handelt es sich bei dem Bau um eine Siedlung, dann ist zwischen den 3-5 stöckigen Reihenhäusern ziemlich viel Luft und diese ist dann reichlich begrünt. Und da das ja alles schon mindestens 50 Jahre dasteht reden wir hier von Bäumen, die den Namen verdienen. Also: keine schönen Häuser, aber vom Lebenskonzept her freundlicher als das, was heute so auf jeden freien Quadratmeter gestopft wird.
- Die neueren Bauten üben sich in Energieeffizienz. Grün bewachsener Fassade, Solaranlage am Dach, Erdwärme und was halt noch so geht.
Aber jetzt kommt der Hammer:
zählt man nämlich die Einwohner Wiens zusammen, die entweder in einem Gemeinde- oder einem Genossenschaftsbau leben, dann kommen wir auf 62% der Wiener Bevölkerung. 62!
62% der Wiener wohnen in einer kommunal geförderten Wohnung!
Diese Menschen wohnen dann stabil günstiger als am freien Wohnungsmarkt. Eine Einzimmer Wohnung gibt es ab 330Euro (inkl. Betriebskosten, ohne Gas/Strom). Während der Pandemie und auch jetzt in Zeiten steigender Inflation hat die Stadt die Mieten eingefroren.
Das klingt alles ausnehmend menschlich und positiv. Mit Sicherheit gibt es reichlich Probleme an allerlei Ecken und Enden in diesem System, aber unterm Strich bleiben halt die Zahlen. Und die sagen, dass 62% der Wiener ein zu Hause haben, weil die Stadt an irgendeinem Punkt die Kosten für den Bau oder eben die Miete gedrückt hat.
62%!
Ich komm’ nicht drüber!