Wenn man in Wien lebt, also vollinhaltlich, Kids in der Schule, Job mit Büro in der Stadt, der Arzt, die Shops, wenn sich alles Leben in der Stadt abwickelt, dann braucht man ziemlich bald kein und wenn überhaupt erstaunlich selten ein Auto. Diese Aussage trifft auf viele Wiener zu. Nur jeder zweite Haushalt in Wien hat ein Auto.
Natürlich gibt es die Wochenendhaus-Wiener. Die sind ja, was man so liest, ausnehmend beliebt draußen am Land. Die haben dann gleich zwei Autos, weil, braucht man halt. Wir hatten lange Zeit ein Auto, dann haben wir lange Zeit gewußt, dass wir es vermutlich ohne Auto auch hinkriegen und zwar ziemlich sicher ohne nennenswerte Probleme. Und jetzt? Jetzt haben wir seit fast einem ganzen Jahr kein Auto mehr. Und: es ist tatsächlich ein anderes Lebensgefühl.
Das Suchen ist weg
Das Auffälligste Detail ohne Auto, das mir auf Anhieb in den Kopf kommt, ist, dass, wenn ich ein Auto brauche, ich in der App nachschaue, das Gefährt reserviere und dann aus dem Haus direkt zum Auto gehe. Im Vergleich dazu, bleibt man als Stadtparker mit eigenem Automobil, das nur alle 10 Tage mal bewegt wird, kaum dass man aus dem Haus herausgetreten ist, abrupt stehen und muß akut überlegen WO das gute Teil denn überhaupt hingestellt wurde? Muss ich rechts? Muß ich links? Habe ich es vor dem Gasthaus stehen lassen? Oder war das vorige Woche? War mein Mann zuletzt unterwegs? Und warum hat er mir nicht gesagt wo das Familomobil jetzt steht?
Diese Situation kennt jeder Stadtparker. Man kann das auch beobachten. Also, wenn man mal zufällig ein paar Stunden am Fenster sitzt und rausschaut. Die Wahrscheinlichkeit, dass aus irgendeinem Haus jemand heraustritt und zuerst mal gleich stehenbleibt und mit Suchblick rechts und links die Gasse runterschaut, ist gar nicht so klein.
Das menschelt.
Car Sharing ist dann auch so eine ganz eigene Sache. Die allerersten Male (Jahre her) bin ich meist in eine Sharing-Auto gestiegen, wenn akut ein Kind irgendwo krank zu holen und das Familiengefährt gerade unterwegs war. Und das ist dann meist gar nicht so einfach wie man vorab vielleicht denken mag.
Denn, das Gewohnheitstier Mensch, kennt das eigene Auto. Aber eben all die Anderen nicht. Und wenn man, so wie wir, ein Gefährt sein eigen nennt, das gut 20 Jahre alt ist, dann, bitteschön, ist alles was zu geteilt an Autos angeboten wird derart modern, dass man sich in einer Mondlanderakete wähnt.
Und dementsprechend hilflos sitzt man dann in den ersten Minuten in dieser Rakete und bringt weder den Motor zum Laufen noch findet man den Rückwärtsgang (Automatik ist nicht gleich Automatik). Ein krankes Kind in der Schule wartend, macht die Sache gar nicht mal so viel leichter.
Und hat man es mal geschafft, kann man mit Sicherheit davon ausgehen, dass man beim nächsten Mal in ein komplett anders konzipiertes Gefährt einsteigen wird. Das Spiel beginnt von Neuem. Solange bis man alle Modelle einmal durch hat.
Beruhigend zu erwähnen ist, dass, genauso wie beim Wo-steht-eigentlich-mein-Auto-Gschichti von gerade eben, auch da alle gleich sind. Mein durchaus Auto-versierter Ehemann hat mich mittlerweile auch schon mal mittelmäßig verzweifelt angerufen, weil er ein Sharing-Auto einfach nicht zum Laufen gebracht hat.
Will nur sagen: wir sind alle gleich gescheit/dumm.
Weiters fällt auf, dass all die Leute, die sonst mit den Autos fahren, in die ich dann eben ab und zu mal einsteige, offensichtlich komplett anders gebaut sind. Sprich: ich muss beinahe alles neu einstellen. Rückspiegel, Sitz, Lehne, Pohöhe, Seitenspiegel. Aber, eben selten alles! An irgendeinem Teil, passt mir der Vormensch dann halt doch.
Schon schräg.
Es ist unnötig zu erwähnen, dass – in Anlehnung an das Starten oder Gängefinden Dilemma – auch die Sitze nie gleich einzustellen sind. Es kommt also durchaus vor, dass man sich einen perfekten Lehnenwinkel versaut, weil man glaubt eigentlich an der Distanz zu den Pedalen zu hantieren. Und umgekehrt. Ein bissl eine Überraschung ist demnach immer dabei.
Ach ja, apropos einstellen:
Das Radio
Mir ist es ja noch nie passiert, dass mir beim Schlüsseldrehen (oder Knopfi drücken) plötzlich mit Lautstärke 2000 irgendein Jödldihü-Sender das Hirn weggeblastet hat.
Nein, die Lautstärke war noch immer sehr verträglich. Lustig finde ich ja eigentlich mehr die Sender, die vom Vorfahrer noch über bleiben. Das lässt dann schon tief blicken.
Selbstzufrieden darf ich feststellen, dass erfreulich häufig FM4 eingestellt ist. Das mag aber auch daran liegen, dass die Radio Arabella Dichte im 4. Wiener Bezirk halt einfach unterdominant ist.
Naja, ich find’s auf jeden Fall gut so und aber eben auch sehr lustig.
Hab‘ ich auch nicht kommen sehen, dass man ohne eigenes Auto plötzlich so um die Ecke rum andere Menschen erspüren kann!
Und zu guter Letzt möchte ich noch ein – hm – vielleicht tiefenpsychologisches Detail erwähnen, das mir sehr stark auffällt.
Ich war nie ein Autonarr. Die PS waren mir stets komplett wurscht. Oder welche Marke oder überhaupt.
Aber selbst ich musste mich am Ende von dem Auto innerlich verabschieden, in dem ich meine Babies für 16 Jahre herumgekurvt hatte. Ich hatte zu diesem Blechhaufen eine emotionale Bindung. Und weil ich eine emotionale Bindung hatte, hatte das Auto auch „Rechte“ in meinen Augen. Ich bin keine Radikale. Mein Auto hatte kein – du darfst überall stehen Recht oder so – meine Auto hatte das Recht doch ab und zu mal gereinigt zu werden. Oder dann doch mal etwas frisches Öl für den Motor. Verhätschelt haben wir unser Auto nicht. Nein. Wahrlich.
Ich sehe aber, wo es herkommt, dass gar nicht mal so wenig Menschen ihr Auto … überhöhen. Und ihm eine Bewertung zugestehen, die eigentlich unverhältnismäßig ist. (meine Meinung)
Denn, und das ist ohne eigenes Auto sehr viel einfacher zu erkennen, ein Auto ist ein Auto. Ein Blechding, das dich von A nach B bringt. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Es fällt sehr viel leichter auf irgendwelche irrwitzigen Details kaum oder gar nicht zu reagieren, wenn es diese emotionale Ebene nicht mehr gibt.
Will sagen: Baustellen, die mir den Heimweg verlängern, weil ich über Hinterkuckuckshausen fahren muss um vor meine Haustür zu gelangen, sind mir jetzt sehr viel mehr wurscht. Oder Ladezonen. Oder Anrainerparkplätze. Oder .. ganz heißes Thema .. WENIGER Parkplätze.
Nochmal; was ich sagen will ist, dass es sehr viel leichter fällt auf Privilegien zu verzichten, auf die ich an sich ja kein Recht habe. Die mir nur historisch gewachsen zur Zeit noch in den Schoß fallen und die so es weiterhin den Trend zu mehr und größeren Autos gibt, eben real nicht aufrecht zu erhalten sind.
Ohne ein eigenes Auto fällt es leichter diese Erkenntnis anzunehmen.
Nun ist mir ja klar, dass Sharing-Modelle nur so richtig gut funktionieren, wenn die Stadt/der Ort groß genug ist, weil man halt einen Haufen Leute braucht, damit so etwas funktionieren kann. Am Land draußen ist Car-Sharing keine reale Option … zumindest nicht per Geschäftsmodell, das in einer Großstadt funktioniert. Womöglich gibt es für ländliche Gegenden ja andere Modelle. Das ist aber heute und hier nicht das Thema. Heute ging es drum euch teilhaben zu lassen an den absurden Rundherums, die sich so ergeben, wenn man mit völlig fremden Menschen ein Auto teilt.
Ich find’s witzig. Jedes mal wieder!