Als ich den ersten Blumentopf damals unter mein Fenster gestellt habe, da habe ich nicht gesehen, was daraus werden würde. Ich sehe mich noch immer nicht als Aktivistin oder so. Ich sehe mich als Nachbarin, die nicht ihre Tür und ihre Fenster zumacht und den Rest Rest sein lässt. Aber ich erkenne auch, dass ich nach außen hin aktiv wirke. Jemand, der etwas tut. Was, wenn wir ehrlich sind, die Ausnahme ist. Die Meisten neigen ja zum Wegschauen.
Und wenn es schon aktiv ist, dann doch ordentlich. Oder so in etwa hat sich das wohl die Agenda Gruppe vorgestellt. Die haben nämlich angeregt oder besser regen seit Jahren an, dass wir – meine Nachbarin und ich – mal was „organisieren“ rund ums Parklet. Und da meine Nachbarin Lehrerin ist, dachte sie sofort an die Kinder in der Schule, die im Haus neben unserem untergebracht ist.
Und relativ rasch war die Idee geboren, das Parklet – genauer die Plane zur Straßenseite hin – von den Schülerinnen bemalen bzw. gestalten zu lassen. Also hat sie Kontakt zur Direktion der Schule aufgenommen und innerhalb von ein paar Stunden hatten wir eine äußerst interessierte Lehrerin mit Klasse an der Hand.
Ein paar Wochen drauf, waren wir dann zu zweit in der Klasse. Ich habe ihnen erklärt was das Parklet ist, wieso, was das kostet, warum die Stadt interessiert ist, was öffentlicher Raum ist, dass da früher ja keine Autos waren, dass man damals den Raum zwischen den Häusern auch anders nutzen konnte etc. etc.
Dann habe ich ihnen erklärt, dass sie ja, auch wenn sie hier nicht wohnen, zumindest für die Zeit, die sie hier zur Schule gehen, zu unserer Nachbarschaft gehören. Und dass sie bloß nicht glauben sollen, dass nicht jede Einzelne, die hier wohnt, davon weiß, dass sie hier sind. Weil nämlich alle mitbekommen, wenn Schule aus ist. Dann donnert ja eine Horde Pubertiere (das habe ich so nicht gesagt) durch die Gasse hin zur Bimstation. Laut!
Da waren sie dann ein wenig verlegen. Entzückend.
Auch sonst gebe ich zu, dass ich von den Kids komplett überrascht war. Sie hingen mir an den Lippen und haben mit ziemlich großen Augen gelauscht und sichtbar mitgedacht. Irre. Ich hatte ja erwartet, dass ich von hormoneller Pubertierarroganz ins Jenseits augenverdreht werden würde. Sowas in der Art. Aber nein, gar nicht. Sowas von gar nicht. Es beschämt mich.
Auf jeden Fall habe ich sie, so schien es mir, gut abgeholt. Im Anschluß haben sie dann das Thema für die Bemalung in Gruppen erarbeitet. Sie waren auf der Suche, was ihnen wichtig ist. Was ihnen so durch den Kopf geht. Damit die Leute, die sie nur als donnernde Horde wahrnehmen, sehen können, dass diese Horde Themen hat, die ihr am Herzen liegen.
Frieden wurde Thema Nummer eins, gefolt von Comics.
Das lass ich jetzt mal ganz unkommentiert so stehen.
Ein paar Tage darauf bin ich dann mit der Chefkünstlerin der Klasse und ihrer Freundin gemeinsam zum Gerstäcker gefahren (Künstlerbedarf) und wir haben Farben, Pinsel und Kreide besorgt. Es ist mir ein Bedürfnis zu erwähnen, dass die beiden Mädels noch nie zuvor in so einem Geschäft waren und ich demnach Zeuge sein durfte, wie zwei noch völlig unberührte Seelen ihr erstes Künstlerbedarf-High hatten. Schön!
Die künstlerische Herausforderung liegt auf der Hand. Die Plane wird 8m lang sein und einen Meter hoch. Ein ungewöhnliches Format und dabei noch ziemlich groß. Ich habe ihnen eine Plane in der Klasse gelassen, damit sie sich das ein wenig zurechtimaginieren können und auch mal mit Kreide vorzuzeichnen. Und auch um die Farbe zu testen. Ob das denn überhaupt hält etc.
Soweit sind wir im Moment. Als nächstes muß ich mich um die Sicherheit der Kids kümmern und die zuständigen MAs kontaktieren, wie ich das denn am Besten mache. Immerhin malen sie ja .. naja mitten auf der Straße.
Ich halte euch auf dem Laufenden.