Eine Zusammenfassung der österreichischen Innenpolitik der letzten Jahre {Hochschaubahnfahren ist ein Dreck dagegen}

Wenn ich mir mein Land so anschaue, dann schwanke ich von Faszination zum Grauen und wieder zurück. Faszination insofern, als es doch interessant ist, wie viel man den Leuten doch vorgaukeln kann. Das Grauen erklärt sich leider wohl von selbst.
Ja, ich bin fasziniert davon, wie weit Manipulation über Medien funktioniert, wieweit man nach oben kommen kann und wie wenig man eigentlich können muß dafür. Skrupellos muss man sein. Es scheint als wäre das das Key Feature jener, die mein Land gerade im Vollgas gegen die Wand gefahren haben.
 
Und weil die eine oder andere deutsche Leserin hier womöglich nur oberflächlich informiert ist, hier eine „Kurz“fassung des Dilemmas.
Festhalten. Es wird schmerzen.

 

Der Kurze und seine Gang haben sich in der eigenen Partei nach oben geputscht. Dafür haben sie, so scheint es, Staatsgelder benutzt um einen Frauen-belästigenden Fettsack von Macho, dem halt ein Boulevardblatt gehört, dafür zu bezahlen frisierte Umfragen zu veröffentlichen, die dann wiederum parteiintern den Druck auf den amtierenden Parteichef derart erhöht haben, dass bei erster Gelegenheit das Schaffott demselben den Kopf abschnitt. Wer es noch nicht weiß, die Tochter des besagten Parteichefs  war damals gerade verstorben und er durchwegs stets etwas blaß um die Nase. Das aber nur als Nebenbei-Info. Wer’s gern grausam hat.

Das war 2017. Zur Orientierung.

Neuwahlen wurden ausgerufen und der Kurze und die Gang haben sich feiern lassen, als diejenigen, die die konservative Ecke vor dem Absturz retten. So ein Wahlkampf darf pro Partei 7 Millionen Euro kosten (Gesetzt seit 2012). Die „Türkisen“ überschritten diese Grenze gewaltig. 13 Millionen Euro gaben sie aus. Beinahe das Doppelte. Wen überrascht es dann, dass das 80 (!) köpfige Social-Media-Team des Kanzlers-to-be mit zielgruppengenauer Werbekampagne das Spiel für sich entschied.

 

 

 

Wenn man bei der Matura schummelt, fliegt man raus. Wenn man bei Wahlen schummelt, zieht man am Ballhausplatz ein. Das Kalkül ging auf. Die junge ambitionierte Slim-Fit-Truppe zog stolz ebendort ein, wohlwissend, dass man mit Geld und guten Sprüchen die Leute schon ablenken würde können, von allem, was für die „Familie“ (bitte so haben sie sich selber genannt in den Chats) nicht so schmeichelhaft ist.

Die Koalition mit den Blauen wurde ausgerufen und alles war eitel Pressekonferenz-Inszenierung. Show pur. Alles rosarot bzw. türkisblau. Alle happy.

Und dann kam Ibiza.

 

Österreich saß vor dem Fernseher und staunte nicht schlecht, wie ekelhaft der Strache in einem ausgeleierten Designerunterleiberl ausschaut. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die kurze Gang beschloß auf überrascht und moralisch solide zu machen und ließ leicht angewidert die Blauen fallen. Die „Familie“ versuchte noch kurzerhand die Posten aller Blauen in der Regierung einfach mit eigenen Leuten zu besetzen und  weiterzuregieren (!), aber das ging nicht durch. Zack, Bumm, das Parlament nahm den Misstrauensantrag gegen den Bundeskanzler an und in der Sekunde darauf mussten die schlagartig Arbeitslosen den Plenarsaal verlassen.

Das war neu!

 

Nachdem Festplatten aus dem Bundeskanzleramt höchst ungewöhnlich aber dafür doppelt geschreddert worden waren, kam die Expertenregierung mit der ersten Frau als Bundeskanzlerin an die Macht und die Zeit des Alexander van der Bellen. Der österreichische Bundespräsident hatte reichlich zu tun die Tage. So hatte er sich das sicher nicht vorgestellt.

Also kamen wieder Wahlen. Die Türkisen planten diesmal die Wahlkampfkosten zwar wieder zu überschreiten, das Geld aber auf anderen Konten zu verbuchen, sodaß sie nach außen kommunizieren konnten, sie würden die Höchstgrenze sogar unterschreiten. 

Und ich kann das hier so schreiben, so „behaupten“, weil ein Gericht das so entschieden hat. Der „Falter“ (Wochenzeitschrift) hatte das nämlich veröffentlicht und das Oberlandesgericht Wien hat das dann bestätigt, nachdem die ÖVP geklagt hatte. Man darf also sagen: Die ÖVP unter Sebastian Kurz plante bewusst, die Kostengrenze für den Wahlkampf 2019 zu überschreiten. Die Öffentlichkeit haben die Türkisen in der Causa absichtlich getäuscht.

 

Sie gewannen die Wahlen also erneut. Diesmal nicht mehr ganz so deutlich. Die Koalitionssuche war etwas eingeschränkt, denn die FPÖ war diesmal kein Partner mehr. Strache war weg und der Kickl (leitet die FPÖ) megasauer. Die SPÖ meidet der Kurze grundsätzlich wie die Pest, also blieben nur die Grünen. Der Wähler war überrascht. Von ganz rechts nach ganz links. Welch ein Schwenk in der Partnerwahl, net schlecht! Aber wer weiß, Klimawandel und so .. vielleicht ja keine schlechte Idee. Der rechten Seite der Wählerschaft war ja eh noch schwindelig von der Watschen.

 

All das, also die Wahl und die Koalitionsverhandlungen und all der Kram, fanden statt, während immer wieder höchst peinliche Trallalas bekannt wurden. Die WKStA ermittelte aufgrund einiger Aussagen im Ibiza-Video und da poppten halt Dinge hoch. Da war der Sidlo, ein junger FPÖ Bezirksrat, von dem es offensichtlich nur ein einziges Foto gibt (JEDER Österreich weiß, welches ich meine) der wundersamerweise zum Finanzvorstand der Casinos Austria qualifizierte.

Und dann waren da die erste Chats, die öffentlich wurden. Handyunterhaltungen zwischen denen, die man allgemeinhin als „Entscheidungsträger“ bezeichnet. Zunächst war die FPÖ dauernd damit in den Nachrichten und dann, langsam aber sicher wendete sich das Blatt und plötzlich ging es immer häufiger um  die Türkisen.

 

Und was man da zu lesen bekam, war saumäßig unterhaltsam. Erschütternd auch. Und unfassbar. Zuweilen grandios. Kein Drehbuchautor der Welt kriegt das so hin.

Und das sag‘ ich als Filmfreak.

 

Ach ja, und dann war da noch die Pandemie. Türkis-Grün waren gerade angelobt, da begann Corona die Runde zu drehen. Das Marketing – Team der Türkisen hatte Mühe dieses unangenehme Thema in eine Siegerposition zu verwandeln.

Im Angesicht des ersten Schocks gab man den Vernünftigen, schickte die Bevölkerung ins Home Office und schüttete Geld aus. Die Aufführung war erstaunlich glaubwürdig, nicht oskarreif, aber alles in allem eine gute Performance. Die Leute hielten sich dran. Es schien, als könnte man einigermaßen die Kurve kratzen. Außerdem stand ja sowieso die ganze Welt Kopf. Alle hatten dieses Problem.

Aus nicht ganz verständlichen Gründen hatten die Türkisen in der Regierung den Grünen das Justizministerium übergeben. Ein „Fehler“, den sie wohl gar nicht lang genug bereuen können. Die junge Frau, die das Amt innehat, hat nämlich trotz ihrer Schwangerschaft und trotz eines mächtigen, altgedienten türkisen Beamten, der das Ministerium wohl bis dahin im Hintergrund geschuppft hatte, sichergestellt, dass die Staatsanwaltschaft weiter ermitteln konnte.

Das Motto lautete: „And the Chats keep coming!“

„Kriegst eh alles was du willst“ – Thomas Schmid, ein Sebastian Jünger erster Klasse, erhielt den Posten des neu geschaffenen auf ihn zugeschnittenen ÖBAG Allein-Vorstandes. Und wie das vonstatten ging, das durfte man jetzt originalgetreu nachlesen.

Ekelhaft, fasst es meiner Meinung nach am Besten zusammen. Ich mein, ich bin mir schon im Klaren darüber, dass auch früher schon Posten an Freunde etc. verteilt wurden, aber Qualifikation spielte da schon noch eine Rolle. In dieser Inkompetenz und mit solchen Worten, hatte das schon neue Qualitäten. Schwer beeindruckend die Lektion in Willigkeit und Unterwürfigkeit. Von „Pöbel“ bis „Nachmittagsbetreuung“ alles dabei. Keine Grenzen.

Zurück zum Marketing.

So eine Pandemie kann einem auch die schönste Bundeskanzlerstory vermiesen. Also wurde notgedrungen, sobald die Impfung einigermaßen verfügbar war, das Ende der Pandemie eingeläutet. Selbstverliebte Plakate inklusive.

„Wir laufen jetzt eine Siegerrunde durchs Land.“ Sich solide beklatschen lassen, schien dem Team Kurz angebracht.

 

Plakate aus dem Sommer 2021 – Impfquote gerade mal so um die 60%

 

Die Spielverderber, also jene, die noch weiter gegen die Krankheit kämpfen wollten, wurden verhöhnt und professionell abgesägt. So geschehen mit dem Gesundheitsminister, der sich sowieso viel zu hoher Beliebtheitswerte erfreute. Da wurde also eine Kampagne gegen ihn und sein Ministerium gefahren, als der Mensch selber gerade im Krankenhaus lag. Alles kein Problem. Man hat ja keine Skrupel.

Und weg war er.

 

Sein Nachfolger war und ist ein Politikanfänger, und somit ein leichtes Opfer für die Profis im Kanzleramt. Den im Zaum zu halten war nicht viel Arbeit. Derweil redeten die Experten schon von einer Herbstwelle. Aber zu hören, kriegten das nur die, die danach suchten. Denn Kanäle mit Nachrichten zu versorgen, kann niemand so gut wie der türkise Trupp. Da sind sie Profi. Man attackierte einfach stündlich die Staatsanwaltschaft, die gegen einen ermittelte und sulte sich in der Opferrolle. Sowas verkauft sich besser als Impfaufrufe. Alle haben da zwar nicht mitgespielt, aber halt schon zu viele.

Wobei wenn eine Regierung die Justiz runterputzt man als unabhängiges Medium wohl nicht die Augen zu machen kann. Eine blöde Situation für die Medien. Ein Genußbad für die Regierungs-Familie.

Der österreichische Sommer 2021 war somit geprägt vom Selbstmitleid der Türkisen, von Schuldzuweisungen in alle Himmelsrichtungen. Diese Masche zieht ja immer und überall. Die, die an der Macht sind, brauchen nur so zu tun, als wären sie völlig machtlos. Der Feind, wie imaginär auch immer, sei eigenartig gigantomächtig und sitze vor allem immer dort, wo es einen eben gerade drückt. Meist ist das die Justiz.

Woher kommt mir dieses Muster nur so bekannt vor?

Hm.

 

Auf jeden Fall fokussierte sich mittlerweile ebenjene Justiz auf den Kanzler persönlich und die Diskussion in den Medien lief an, wie viel Unschuldsvermutung einer ganz oben an der Macht denn eigentlich für sich in Anspruch nehmen kann, bevor es dann doch … einfach zu viel wird.

Und die ganze Zeit lesen wir Österreicher immer wieder neue Chats.
Es gibt Hausdurchsuchungen und der private Laptop des Finanzministers geht im  Kinderwagerl spazieren, während die Polizei die Wohnung filzt.

Kannste nicht erfinden.

 

Der Laptop wird dann später doch noch den Behörden übergeben. Finden wird man darauf nichts Nennenswertes (mehr). Eh klar.

Während alarmierenderweise die Infektionszahlen zu klettern beginnen, beschließt Sebastian, dass er unschuldig ist und erklärt das auch bzw. lässt es durch alle Sprachrohre seines Trupps erklären. Lautstark, beißend … wenn man genau hinschaut .. verzweifelt.

Denn die WKStA ermittelt mittlerweile nicht nur wegen der Falschaussage vor dem Untersuchungsausschuß (da hatte Kurz nämlich erklärt, dass er mehr oder weniger überhaupt keine Ahnung hatte in Bezug auf die Bestellung des Herrn Schmid, was sich in den Chats doch eher konträr liest), nein, die Staatsanwaltschaft ist mittlerweile auch auf das Beinschab-Fellner-Tool gestoßen.

Ebenjene Konstruktion von getürkten Umfragen, Steuergeld und ParteichefSturz aus 2017 (siehe Anfang des Beitrags), deren einziger Nutznießer eben der Kanzler ist. Derselbige ist natürlich felsenfest unschuldig und verkündet das auch noch 24 Stunden bevor er dann „zur Seite“ tritt.

 

 

Während all das abläuft, wurde das Budget für eine Impfkampagne auf ein Zehntel heruntergekürzt (im Bundeskanzleramt!) und zeigt so natürlich auch keinerlei Wirkung.

Und wenn das Team Kurz was kann, dann Menschen per Umfragen und Social Media gewünscht zu manipulieren und zielgenau abzuholen. Das passiert aber nicht. Warum nicht?

 

Dazu fallen mir nur zwei Möglichkeiten ein:

-) entweder sie haben das Konzept Pandemie und Durchimpfungsrate nicht verstehen können, soll heißen, sie haben es intellektuell nicht erfasst, was es bedeutet, wenn das Land nur zu 64% geimpft ist oder

-) es war ihnen einfach wurscht.

Beide Begründungen disqualifzieren sie für den/die Posten, die sie innehaben.

Aber um diese Schieflage kann sich gerade keiner kümmern. Denn mittlerweile hat das Land eine Inzidenz von über 1.000 und jeder Bürger weiß jetzt, was „Triage“ bedeutet. Das Land ist an die Wand gefahren. Es tut an allen Ecken und Enden weh. Es wird demonstriert, wir sind in einem Lockdown und der Kurze zieht immer noch die Fäden, während die Staatsanwaltschaft gegen ihn und die Seinen ermittelt.

Es ist eben eine Mischung aus Faszination und Grauen.

So,

mir ist klar, dies ist eine unvollständige, emotionale Zusammenfassung einer Mutter aus Wien, aber es mindert nicht, was die österreichische Bevölkerung in den letzten Jahren politisch zu verkraften hatte. „Man werde sich noch wundern, was alles möglich ist!“, hat der ehemalige FPÖ-Bundespräsidentschafts-Kanditat einmal gesagt. Und ich denke da sind wir jetzt wohl. Wir wundern uns alle und gleichzeitig wundern wir uns auch gar nicht.


Liebes Deutschland, dass du dich gerade plagst damit, dass du keine oder gerade zwei Regierungen hast, ist klar. Auch in Sachen Pandemie schaut’s nicht so rosig aus für euch. 

Aber lasst euch eines gesagt sein: Auf der nach oben offenen Populismus-ruiniert-das-Land-Skala steht ihr erst am Anfang, während wir hier oben kaum noch Luft kriegen.

Und das ganz unabhängig von der Pandemie!

Passt gut auf euch auf!

In Liebe

Prost!