Frau, 50 und so genervt

Es gibt da was in meinem Leben, das nervt. Und zwar gewaltig. Und nein, ich rede nicht vom Gesellschaftsbild „Frau“, das ja ein Paradoxon sondergleichen darstellt. Beinahe allem, was frau zu erfüllen hat, wird augenblicklich widersprochen. Dick darf frau nicht sein, aber wehe sie isst nur Salat.  Einen Beruf muss sie haben, aber wehe sie ist ehrgeizig oder gar erfolgreich. Kinder soll sie haben, aber „nur“ Mutter ist dann auch total uncool.

Diese Liste ist lange fortführbar. Logisch ist sie nicht und wohlgemeint auch nicht.

Aber davon rede ich gar nicht.

Das was mich nervt, unsagbar nervt, zum Haareraufen und dabei aus vollem Hals schreien nervt, ist das dieser ganze Mist in mein Leben kriecht, so ganz auf ausgefuchst. Er rinnt durch kleine Ritzen des Nichtaufmerksamseins in mein Seelchen und wenn frau dann so ihr Leben lebt, mal laut, mal leise, mal mit Kind und mal ohne, dann ist es plötzlich da.

Dieses Gefühl, das einen runterzieht, das einem sagt: „Du bist nicht viel wert.“ Was du machst ist nichts wert. Dieses Gift, das einem in die Seele tröpfelt und die Sonne darin ausknippst. „Du verdienst kein Geld, bist nur zu Hause und hast dein schönes Leben.“ Oder: „Du bist zu dick und lässt dich gehen.“ Oder: „Du arbeitest zu viel. Du vernachlässigst deine Kinder und deine Beziehung.“

Du bist zu egoistisch. Du bist zu naiv. Du bist zu unsportlich. Du bist, du bist, du bist.

Und nichts davon ist gut.

Also nochmal es geht gar nicht darum, dass es diese bescheuerten Gedanken überhaupt gibt. Ich bin clever, ihr seid clever genug, zu wissen, dass das Müll ist. Geboren aus einer kranken Idee, deren genaueres Ziel ich gar nicht mal wissen will. (Es kann kein Gutes sein). Ich weiß, ihr wisst, dass das falsch ist. Und ich, und vermutlich auch ihr, kämpfe dagegen an.

Und es gelingt auch. Und dann lebt frau frei. Als Frau, als Mensch, verrückt oder still, bunt oder mal farblos. Wie es eben gerade ist. Das Leben ist extrem vielseitig und so ist es auch jede Frau.

Frau lebt dann in Frieden und wenn sie gerade so drauf ist, dann leuchtet sie. Und wenn nicht, dann nicht. Sie stellt sich dann den Aufgaben, die da kommen und meistert sie (meist).

Und dann passiert irgendwas, sagt irgendwer irgendwas und frau stellt fest, dass sie unaufmerksam war und dass das Gift wieder in die Seele tropft. Plötzlich ist sie wieder faul, dick, uninteressant, unsexy und überhaupt .. einfach ein Nichts.

Wir wissen alle, dass dann schnelles Reagieren notwendig ist. Gift in der Seele ist nie gut. Hilft einem nicht und den Kids und dem Mann auch nicht. Aber .. es ist manchmal unglaublich schwer gegen den Dreck anzutreten. Das Gift hat ja, wenn man es bemerkt, meist schon ein Weilchen getröpfelt, und die Wolken sind bereits aufgezogen, die Aussichten duster.

Sich aufzuraffen, zu befreien kann wirklich, wirklich anstrengend sein. Frau bekämpft da Dämonen, Windmühlen vielleicht, und das während das Essen kocht und die Rasselbande hangry durch die Gänge zieht. Ist ja nicht so, als säße frau entspannt in ihrer Villa mit Meerblick (seufz) und hört den Wellen beim ans Land klatschen zu.

Nein, nein, nein. Frau kämpft während der Haushalt brummt, die Familie streitet und der Chef ein e-mail mit dem Betreff „Deadline“ in die Inbox fallen lässt.

Und das nervt dermaßen. Das nervt so irre!

Uaaaaahhhhh!

Ich will diesen Kampf nicht mehr kämpfen. Ich kenne meinen Wert und wenn den irgendjemand anders einschätzt, weil ich 50 bin, weil ich seit Jahren „nur“ daheim bin, dann ist mir das völlig egal. Und zwar wirklich. Kein Scherz.

Es interessiert mich nicht.

Und ich lebe damit gut, und zwar solange, bis die Wolken wieder aufziehen, weil irgendwie irgendwoher der Dreck mir wieder das Haxl stellen will. Er tröpfelt in meine Frauenseele und redet mich schlecht. Und wenn ich nicht aufpasse, dann glaube ich ihm.

Bestes Gegenmittel?

Freundinnen. Andere Frauen. Und ein Telefon.

Ich seh’s ein bissi so: Im Universum gibt’s unseren Planeten. Wohin man auch schaut, ist Nichts. Nur hier bei uns auf der blauen Murmel da wimmelt’s nur so von Leben. Und das seit relativ kurzer Zeit (also in Univerum-Maßstäben). Und jetzt, genau jetzt ist meine Universums-Sekunde. Der eine kleine Moment, der mein Leben ist. Und ich hab‘ noch die unfassbare Sau in einem erste Welt Land geboren worden zu sein. Dass ich leben kann, wie ich lebe ist zum allergrößten Teil der Verdienst der Generationen vor mir.

Ich habe also einen Jackpot gelandet.

Ja genau.

Dass es so ist, wie es ist, ist unwahrscheinlicher, als dreimal an einem Tag vom Blitz getroffen zu werden.

Tausendfach Jackpot quasi.

Das lass‘ ich mir doch nicht davon versauen, dass irgendwann irgendwer seine Machtverlustängste auf Frauen in diese Paradoxon-Bilder gepackt hat und der Rest der Leute das Problem seither nicht gelöst hat.

Ja okay, ich könnte es lösen.

Für die Generationen nach mir.

Hm.

Okay, das ist ein Druck, den ich akzeptieren kann.

Ja.

Das geht.

Aber dick, alt, erfolgreich oder nur-Mutter, oder laut, oder naiv, oder zu bunt, oder zu farblos.

Oh .. fuck off!