In meinem Bezirk wird gerade verhältnismäßig groß umgebaut, umgestaltet, neu konzeptioniert. Und das löst in mir eine unglaubliche Kaskade an Gedanken und Erkenntnissen aus, die mir seit Monaten schon im Kopf herumschwirren und die wirklich schwer in einen Guß Worte zu fassen sind.
Also fange ich vorne an und wage mich dann hoffentlich Schritt für Schritt an all die anderen Themen, die da dran hängen.
Ich habe ja schon in diesem Post erklärt, warum 1,3km der nächstgelegenen Hauptstraße generalsaniert und dabei gleich umgestaltet werden mussten.
Konkret bedeutet dieser Umbau ein Einschränken des Individual-Auto-Verkehrs, der bisher unverhältnismäßig viel Raum in meinem Bezirk einnehmen durfte und eine Zuweisung des dadurch frei werdenden Raums an Fahrrad, Fußgänger und Begrünung.
Warum ich schreibe „unverhältnismäßig viel Raum für das Auto“? Nun, wenn man so lebt, wie ich, dann ist der Raum zwischen den Gebäuden zu in etwa 80% den Autos vorbehalten. Genauer: Straße und Parkplätze. Und wenngleich Radfahrer prinzipiell auch auf der Straße fahren dürfen, so hat man doch recht schnell den Eindruck, dass die Autofahrer Radfahrer als Eindringlinge empfinden.
Ich schreibe diesen letzten Satz als Radfahrerin. Als Autofahrerin kann ich sagen, dass ich mich sehr verantwortlich und sehr unwohl fühle, wenn vor mir eine Radfahrerin fährt. Es ist meist nicht ausreichend Platz um sicher zu überholen und hinterdreinfahren macht ungemein Streß, was ich nicht mag. Ich mache nicht gerne Streß. Unsicher Überholen lehne ich komplett ab.
Es ist für mich als Verkehrsteilnehmerin klar, dass der öffentliche Raum in der Stadt in den letzten zwanzig Jahren zusehends durch immer dichteren Verkehr Halt verloren hat. Es sind nicht nur mehr Autos, es sind auch größere Autos, es sind mehr Radfahrerinnen, der Platz ist aber derselbe. Im inneren Stadtbereich kommt eine beträchtliche Zahl an zu Fuß gehenden Touristen dazu, die großteils hochgradig ortsunkundig einfach überall hingehen ohne rechts oder links zu schauen. Sie müssen Radwege queren, die vor 15 Jahren für deutlich weniger Radfahrer konzipiert wurden.
Und dann gibt’s da noch die Essenszusteller auf ihren E-Mopeds, die mehr oder weniger überall fahren. Und zwar schnell.
Für diese Situation wurde die Verkehrsaufteilung nicht konzipiert, das wird einem schnell klar, egal an welchem Ende der innerstädtischen Verkehrssituation man sich gerade rumärgert.
Dazu kommt, dass, von welcher Straße man auch immer redet, in der Stadt diese stets erstens durch dicht bewohntes Gebiet führt und zweitens ebendieses im Sommer mittlerweile empfindlich aufheizt. Soll heißen, da leben gerne Hunderte, im Laufe eines Straßenzuges, Tausende Menschen und wenn sie Glück haben, wurden vor 50 Jahre 4 Bäume gepflanzt.
Dafür stehen den ganzen Tag (und die ganze Nacht) Autos vor dem Haus .. und glühen vor sich hin.
Es erscheint also logisch, dass in den IST-Zustand eingegriffen wird. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Wien und hier die innerstädtischen Bezirke noch einmal ganz besonders mit öffentlichem Verkehr geradezu durchtränkt sind. Man also in diesen Gegenden an sich keines Autos bedarf um von A nach B zu kommen.
Nun bin ich nicht naiv. Ich weiß, wie sehr die Leute ihre Autos lieben und die „Freiheit“ die sie darin zu haben glauben. Ich höre wie sie neben der Baustelle stehen und sich beschweren, weil ihnen die Parkplätze weggenommen werden.
Und in dieser Beschwerde steckt es ja schon drin. Im „Wegnehmen“ steckt ja schon die Annahme, dass es ihnen gehört, dass es ihnen zusteht. Eigentlich. Der öffentliche Raum ist für diese Leute eigentlich ein Auto-Raum. Sie meinen zwar alle, dass man etwas gegen den Klimawandel tun solle, dass es aber für sie nicht gilt, weil sie den einen wirklich notwendigen Ausnahmegrund in ihrem Bedürfnis sehen mit dem Auto in einen Bezirk in Wien zu fahren, ihr Auto dort abzustellen, obwohl sie problemlos öffentlich oder mit dem Rad hinkämen.
Da ist noch viel Diskussionsbedarf.
Wohlgemerkt. Ich meine nicht, dass man den Verkehr aus der Stadt verbannen sollte oder kann. Ich meine aber sehr wohl, dass darüber diskutiert werden muss, wer und mit welchem Gefährt man das darf.
Und ich meine das nicht einschränkend, sondern eher sicherstellend. Im Sinne von: damit sichergestellt ist, dass jene Menschen, die nicht öffentlich fahren können oder mit dem Rad eine reale Möglichkeit haben ihre Freiheit im Ortswechsel leben zu können.
Nun wieder zurück zur Baustelle. Da hat sich die Bezirksregierung schon was getraut. Man hätte wohl noch mehr Autos verdrängen können und noch mehr Bäume pflanzen. Aber um ehrlich zu sein, glaub‘ ich, dass wir jetzt mal verdauen und leben müssen, wie sehr sich diese Straße verändern wird.
Und auf genau das freue ich mich jetzt. Auf diese Veränderung. Ich kann es zwar sehen, aber ich kann es im Alltag noch nicht erleben. Noch ist nicht klar, ob sich der Verkehr tatsächlich umleiten lässt oder ob die Autofahrer fieberhaft Umwege suchen und finden werden. Noch fährt keine Bim, noch sind nicht alle Bäume gepflanzt und noch ist die Unterpflanzung in den Beeten jung und klein.
Ich bin neugierig wie es sich anfühlen und anhören wird. Ich bin neugierig ob die beträchtliche Anzahl an Beeten, die mit Bewässerung versehen wurden, im Sommer einen Unterschied zu machen vermögen. Ich bin neugierig auf den Radweg. Den werde ich vermutlich doch reichlich nutzen. Wie wird sich das auf mein Rad/Bim/Gehverhältnis auswirken?
Es wird spannend.
Anmerkung: Dieser Artikel bezieht sich, das ist hoffentlich klar, auf den Verkehr in meinem oder ähnlichen Bezirken in Wien. Dicht bebaut, versiegelt und absolut autobeherrscht. Mir ist klar, dass im größten Teil meines Landes ohne ein Auto nicht auszukommen ist. Ich denke, wir müssen über viele Dinge reden. Dies ist nur ein Ansatz.