gelesen KW 36 – Das Abtreibungsgesetz in Texas war keine Hau-Ruck Aktion

Was mit einem Land passiert, wenn eine der großen Parteien völlig abhebt in die Gaga-Ecke, das kann man zur Zeit in den USA beobachten. Die republikanische Partei, die in den letzten 10 Jahren durch die Tea-Party von innen ausgehöhlt wurde, gibt es in der eigentlichen Form nicht mehr. „Konservativ“ im klassischen Sinn. Fehlanzeige
Die tobende Orange war nur der Gipfel des Eisbergs und irgendwie die logische Konsequenz, wenn eine Partei komplett auf Populismus setzt und am rechten Rand des Spektrums irgendwie keine Grenzen mehr erkennen lässt.

Neben den Wahlrechts“reformen“, die Wahlrechtseinschränkungen sind, stehen vor allem Frauen im Fokus. Frauen und ihr Recht auf Selbstbestimmung in Sachen Fortpflanzung.

So nun erstmals geschehen in Texas, wo Frauen nach der 6. Schwangerschaftswoche nicht mehr abtreiben dürfen. 6. (!) Woche. So schnell kriegt man vermutlich nicht mal einen Termin, … wenn frau es überhaupt schon weiß.
Aus juristischen Gründen, genauer gesagt, damit kein Gericht dieses Gesetz einfach blockieren kann, ist es „notwendig, dass es nicht von der Exekutive umgesetzt wird. Sprich, du wirst nach einer Abtreibung nicht von der Polizei abgeholt. Nicht die Staatsanwaltschaft ist dein Gegner. Nein, dein Nachbar ist es. Oder der Typ, der drüben im Kaffehaus sitzt oder die Frau, die gerade ihren SUV einparkt.


Das Gesetz besagt nämlich, dass die Mitbürger, so sie meinen jemand hätte abgetrieben, klagen können und somit die Einhaltung des Gesetzes gewährleisten. Sie können die Klinik oder den Arzt klagen, von dem sie glauben, er/sie hätte die OP durchgeführt. Sie können den Taxler klagen, der die Frau zur Klinik gefahren hat. Sie können die Freundin klagen, die ihr das Geld fürs Taxi gegeben hat. Alles möglich.
Hat so einen Klage erfolgt, winkt dem oder der Klägerin eine Belohnung von bis zu 10.000 Dollar.

Es ließt sich wie eine gepflegte Anleitung zum Denuntiantentum. Ein „How to“ in Sachen „Wie vergifte ich eine Gesellschaft“. Bedenkt man, dass es in den Staaten ja hysterisch fanatische Vereine gibt, die sich den Schutz des ungeborenen Kindes auf die Leber tätowieren, ist davon auszugehen, dass die Klagen nur so dahinpurzeln, sobald sich jemand traut noch eine Abtreibung durchzuführen.

Ach ja, egal ob vergewaltigt oder bei Inzest. 6. Woche.
Soviel Grausamkeit kann frau frei von der Leber weg ja gar nicht erfinden.


An dieser Stelle sollte man anmerken, dass je nach Umfrage 70 – 75% der Amerikaner das „Right to choose“ befürworten. Es handelt sich also um eine fanatische Minderheit, die da jetzt endlich die Früchte ihrer Arbeit zu ernten beginnt.

Denn, und darum geht es hier heute, dieses Gesetz ist nicht Hopp-Zack im letzten halben Jahr entstanden, oder durch die kreischende Orange oder so. Nein, Jahrzehnte schon arbeitet diese Ecke der Gesellschaft daran, Abtreibungen zu verbieten. Die 3 Höchstrichter, die das große O ernannt hat, sind allesamt nach diesem Kriterium ausgewählt worden.
Und davor schon sind Richter in allen Ebenen positioniert worden. Um dann, wenn es soweit ist, im richtigen Moment die Schrauben zu drehen. Durch alle Ebenen hindurch.

Religiöse Fanatiker mit Einfluß auf eine Partei. Klerikale, die das Zünglein an der Waage bei jeder Wahl sind. Die paar Prozentpunkte, die ein republikanischer Kandidat nie verlieren darf. Weil er eben jede einzelne Stimme braucht um zu gewinnen.
Sowas macht die Einen erpressbar. Und die Anderen unfassbar mächtig.

Gleichzeitig ist es eine Lehrbuchaktion, wie man auch als kleine Gruppe wirklich große Dinge bewirken kann, wenn man nur hartnäckig an der Sache dran bleibt und … genug Geld hat.

Es wird spannend zuzuschauen, wie sich dieses Schachspiel auf dem Rücken von ungewollt schwangeren Frauen weiter entwickeln wird. Grausam, aber spannend.

Die Welt ist manchmal ein Drecksloch.

 

 

 

 

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