gelesen KW 45 – die alten Damen im Gefängnis

Wir werden ja zum Glück alle älter. Und im Vergleich auch noch gesünder älter. Das finden zwar alle gut, aber was das für ein Land bedeutet, wenn ein großer, wenn nicht sogar der größte Teil der Bevölkerung unter „alt“ zu verbuchen ist, tja, was das bedeutet, dass lernt Japan gerade.

Und ich meine in Angesicht der ziemlich sicheren Zukunft, dass unsere Alterspyramide in eine paar Jahrzehnten so aussehen wird, wie die von Japan heute, halte ich es für klug auf dieses Land zu schauen und sich zu wappnen. Zu wappnen dahingehend, dass Dinge auf uns zukommen, die wir wahrlich so nicht kommen sehen.

So weit so vorab.

Japan hat 126 Mio Einwohner. Und zur Zeit ist beinahe jeder 3. davon über 65 Jahre alt. In Japan werden mehr Windeln für Rentner verkauft als für Babys. Nur um das Bild mal in Perspektive zu rücken.

Neulich hat Japan ein komplett unerwartetes Problem entdeckt. Acht Jahre lang hat die Polizei gebraucht um einen Einbrecher, den „Ninja von Heisei“, zu fassen. Und als sie ihn endlich hatten, da war er doch prompt kesse 75 Jahre alt.

Dass ihre Bevölkerungspyramide kippt war den Leute wohl klar, in welche Richtung sie kippen könnte, hat die Leute jetzt aber doch überrascht.

Daraufhin warf man einen Blick auf die Gefängnisse und deren Insassinnen! Und man staunte wohl nicht schlecht als man feststellte, dass jede 3. weibliche Gefangene älter als 65 ist. Viele von ihnen sitzen wegen wiederholter kleiner Diebstähle ein. Sie klauen so lange bis sie ins Gefängnis kommen.

Denn dort wollen sie hin.

Diese Damen haben häufig eine ausreichende Pension. Geld ist nicht das Problem. So erzählten sie der Dame, die sie interviewte. Nein, sie sind einsam, haben keine Aufgabe mehr, haben kaum Freunde. Im Gefängnis fühlen sie sich sicher und können entspannen.

Skurriler Nebeneffekt dabei: Das Gefängnissystem steht durch diese unvorhergesehene Veränderung vor enormen Herausforderungen. So sind nicht nur die Kosten für die Gesundheitsversorgung enorm gestiegen, es werden jetzt eben auch Wärter gesucht, die pflegerische Qualitäten besitzen. Alte Leute können nicht immer alleine Baden oder aufs Klo gehen. Auch ist der Umgang mit Demenzkranken etwas, das man als Gefängniswärter erst mal lernen muß.

Japan hat alle Hände voll zu tun, die Gefängnisse umzubauen um sie altersgerecht zu machen. Kosten, die man sich womöglich ersparen hätte können, wäre man vorbereitet gewesen auf eine „alte Bevölkerung“.

Aber ich werfe hier nicht mit Steinen. Ich behaupte mal ganz naiv, dass wir keineswegs besser vorbereitet sind und wer weiß, was ein riesiger Haufen alter Europäer treibt, wenn ihm fad wird. Womöglich sehen wir einander ja alle mal im Gefängnis. Denn, wir werden es sein, von denen ich hier schreibe!

Habt ein schönes Wochenende!

gelesen im:

Stern – Lieber im Knast als allein (17. Oktober) gelesen auf Blendle.com (Bezahlartikel)

Wikipedia – Demografie Japans