Musik oder nicht Musik: das ist hier die Frage! oder Vom großen Plätschern!

Wie ihr ja mitbekommen habt, sind meine/unsere Kinder allmählich als „groß“ zu bezeichnen. Was unweigerlich mit sich bringt, dass wir auf einmal vor der Tatsache stehen, Zeit für uns zu haben. Wir Zwei. Das Paar. Und was jetzt?

Natürlich haben wir reichlich Dinge zu tun. Fad ist unser Leben nicht. Außerdem gehören wir zu jenen, die gut auch mal Nichts tun können. (Ist ja nicht Jedem gegeben, wie ich immer wieder feststellen darf!)
Aber im Vergleich zum letzten mal, als wir über unsere Zeit selbst verfügen konnten, sind wir jetzt eben älter, unsere Interessen andere, sprich; es ist nicht möglich dort weiterzumachen, wo wir seinerzeit aufgehört haben.
Und so stellen wir uns die Frage: Was wollen wir denn eigentlich gerne mit unserer Zeit anfangen?
Die Antwort darauf wird sich wohl mit der Zeit anpassen, aber ganz intuitiv haben wir in etwa wie folgt geantwortet:

  • Nix Großes. Wir müssen jetzt nicht schlagartig die Welt entdecken, in jede Pyramide kriechen und unsere Füße in türkises Wasser tunken, während die Palmen im Hintergrund sich sanft im karibischen Wind wiegen. Danke, ganz entzückend, aber Nein, Danke.
  • Wir mögen Kunst und Kultur. So ein Event ab und zu, das geht gut. Ich meine: He, wir leben in Wien! Wir können zu Fuß in die Oper gehen.
  • Und apropos gehen: Spazierengehen. Fotos machen, Leute beobachten. Genießen, dass wir an so einem Flecken Erde weilen dürfen. Und zu guter letzt der Klassiker, der hoffentlich bei Niemandem fehlt:
  • Freunde treffen

Also sind wir in den letzten Monaten mehrfach mit Freunden um einen Tisch gesessen OHNE dass da Kids dabei waren. Keine am Tisch, und auch keine drunter. Einfach 4 Erwachsene. Das war schon ein bissi ungewohnt. Aber das wird wieder, da bin ich sehr zuversichtlich.

Meist trifft man sich um ein Essen rum. Brunch, Abendessen, die Ecke. Und dabei ist mir etwas, wie mir scheint, Eigenartiges aufgefallen, das sich wohl in den 20 Jahren geändert haben muss, ohne, dass ich es mitbekommen habe.

Es geht um die Musik. Während ich mich erinnere, dass auch früher schon Musik ein fixer Bestandteil eines Abends mit Freunden war, so hat sie sich dabei etwas grundlegend verändert.
Früher, also in meinem vor-den-Kinder-Leben, wurde im kleinen Kreis sehr ausgewählt Musik .. fast schon .. präsentiert. Was man aufdrehte, was im Hintergrund lief, war der Musikgeschmack der Gastgeber. Deren Auswahl, deren Stil. Es hatte was sehr Persönliches. Ich erinnere mich an Abende an denen mehrere Versionen desselben klassischen Musikstücks liefen. Oder mal Jazz, mal neue deutsche Welle, mal Cohen.
Was im Hintergrund lief, hatte dadurch im Rückblich betrachtet Wert. Ein bissi so, wie die Kassette, die man für die Angebetete zusammenstellte, erinnert sich noch wer? Versteht ihr was ich meine? Die Musik lief zwar genauso im Hintergrund wie heute auch noch immer, aber .. lasst es mich so formulieren … sie hatte dieselbe Farbe wie die Gastgeber!

Heute scheint das anders.
Da läuft – for lack of a better word – Aufzugsmusik
Stundenlang plätschern Playlists dahin, die an Banalität und Belanglosigkeit jedem Zahnartzwartezimmer zu Ehren gereichen würde.
Und ich rede hier nicht von einmaligen Erlebnissen. Nein. Egal, wo wir im letzten Jahr waren, wir wurden beplätschert. Mal weihnachtlich getingelt, mal pseudo-gejazzt. Endlose Warteschleifenmusik irgendwie.

Ich verstehe das nicht. Wann ist das passiert? Und wieso?

Warum teilen wir nicht mehr, was wir gerne selber hören mit unseren Freunden? Oder. Noch schlimmer! Wollt ihr mir erzählen, dass unsere Freunde das tatsächlich HÖREN? So beim Kochen etc.?
Ich werde beim nächsten Mal nachfragen. Bisher habe ich es einfach nur mal bemerkt. (Mein Mann im Übrigen nicht. Ich habe ihn gefragt.)

Wenn wir daheim Besuch haben, dann legen wir meist Platten auf. Schlicht, weil wir gerade ein Revival haben. Wir haben auch unsere CDs aus dem Keller geholt (genussvoll nachzulesen hier), ausgemistet und … ja wir hören so Einiges davon noch. Regelmäßig sogar.
Wollt ihr mir erzählen, dass die Anderen alle nur mehr streamen? Dass sie ihre Liebe für ein paar schräge Bands aus der Jugend komplett hinter sich gelassen haben?
Ich kann und will das nicht glauben.

Ich vermag mir zwar vorzustellen, dass Streamen und vorgebastelte Playlists das Leben ein wenig schneller/einfacher machen. Schlicht, weil man sich die Zeit nicht nehmen will für die Erstellung einer Auswahl, aber fällt den Leuten nicht auf, welch enormer Qualitätsverlust damit einhergeht?
Mal ganz abgesehen davon, dass derlei Streaming-Plattformen die totalen Ausbeuterbetriebe sind. 3400 Euro für 1 Millionen Streams? WTF? Wie soll man da denn Rockstar sein?

Nur zur Info: Seit diesem Jahr bezahlt Spotify Künstler gar nicht, wenn ihre Werke unter 1000x/Monat gehört werden. Und Leute wie Taylor Swift machen ihr Geld mit den Tourneen, nicht mit Online-Musik.
(Wir haben mittlerweile auch ein Swift Album daheim. Macht sich gut!)

Naja. Wie gesagt. Ich mag das Auflegen und ich vermisse die Individualität der Musik, wenn wir wo zu Gast sind.
Ich werd’s aber überstehen und ich nehme es auch niemandem übel. Die Welt verändert sich halt. Auch die Musikwelt in den Wohnzimmern der Mitt-Fünfziger! Hab’ ich nicht kommen sehen!

Info about spotify & Co. hier lang.