Mutterinstikt

All die Mütter unter euch kennen ja den Moment, wenn das Neugeborene geimpft  oder irgendwo gestochen wird, wegen Blutabnahme oder so. Ich rede von diesem leicht zeitversetztem Aufjaulen eines Babies, das eine Mutter erstarren lässt. Der Schock des Kindes wird scheinbar im Augenblick auf die Mutter übertragen. Schmerz im tiefsten Heiligtum des Herzens. Tränen. Der Wunsch, nein, das zärtlichste, unbändige Verlangen, das Kind in die Arme zu schließen, sich gemeinsam unter einer wohlig, warme Decke zu kuscheln und solange beieinander zu sein, bis die Welt wieder in Ordnung ist.
Instikt.

Für die unter euch, die keine Kinder haben, ihr müsst mir einfach glauben. Der Moment, wenn einem das erste mal der Instikt einschlägt, wenn man aufhört zu denken, ein intellektuelles Wesen zu sein, nur mehr eines will und das ganz und zu beinahe jedem Preis … dieser Moment prägt sich ein.

Wenn das Kind dabei noch ein Baby ist, dann kann frau das ja auch verarbeiten. So sind wir schließlich gesellschaftlich erzogen: „Mein Baby weint, logo, dass ich nicht entspannt ein Glas Prosecco schlürfe.“ (Wohlgemerkt, ich rede nicht vom Baby-kann-nicht-einschlafen-Weinen. Da geht der Prosecco nach einem halben Jahr Schlafentzug schon. Ja, doch! Ich rede von diesem im Schmerz Aufjaulen … das hat Power .. über Mütter. )
Also nochmal, dass ein Baby einem den Verstand raubt, das kann frau argumentieren.

Schon schwieriger wird es, wenn das Kind dann schon ein Teenager ist.

So ist es mir letzte Woche ergangen.

Mein Kind erhielt eine Zahnspange. Und ich? Ich lag heulend im Bett.
Nun gehöre ich ja nicht nur zu den gefühlsbetonten Wesen, nein, ich bin auch gefühlserprobt. Ich kenne meine Gefühle. Ich weiß, was los ist mit mir und das meist sehr schnell.
Und, keine Sorge, dazu gehören Jahre Training. (Für den Fall, dass ihr euch nicht so lesen könnt! Alles gut.)

Als ich also am Tag der Klammer fahrig war und gereizt und gleichzeitig ängstlich und nervös, da wusste ich, dass da was im mütterlichen Busch ist. Also nahm ich mir den Moment und las kurz in meiner Seele nach … und da stand (ich gebe mehr oder weniger wörtlich wieder):
Mein Kind, mein heiliger, kleiner Tempel, mein Werk, mein MEISTERWerk, perfekt, so wie es ist, geliebt mit Haut und Haar – mein Kind – wird von jemandem anderen … bearbeitet.
Danach ist es nicht mehr pur mein. Danach ist es wieder ein Stück weiter weg von mir.
O-Ton Ende.

Es riss mir das Herz raus. Auch während ich das hier tippe, läßt mich das nicht ganz kalt.

Seufz – Pause

Und dann fiel mir auch gleich ein, dass das bei Kind 1 genau gleich gewesen war.
Ganz offensichtlich betrachte ich im Inneren meine Kinder als heilige, kleine Werke, die von mir gemacht und auch beschützt werden (müssen).

Die Tränen, die meinen Polster trafen, waren Instinkttränen, kein intellektuelles Leiden. Nein es war Mutter Erde, die ihre Kinder ohne Ende liebt und die nun mal nicht will, dass ihnen etwas passiert. Und obwohl sie weiß, dass die Zahnspange keine Untat ist, so war da doch etwas … etwas Schmerzliches… sie sind danach nicht mehr so unberührt. Nicht mehr so ganz mein.

Ich kann es nicht anders umschreiben.
Und ich weiß auch, dass sich das vermutlich völlig irre liest. Ich schreibe das hier nur nieder, für den Fall, dass ihr euch schon in einer ähnlichen Situation wiedergefunden und euch über euch selber wundern musstet.
Ihr seid nicht allein.

Für die Welt bist du eine Mutter
aber für deine Mutter bist du die Welt.