Palaisgeschichten: Die Herrengasse Teil 2 – Die Palais Mollard-Clary, Modena, Wilczek & Herberstein

Es ist schon lustig, wie viel ich selber über meine Stadt lerne, wenn ich für euch Fotos mache. Schon seit Jahren ist das so. Aber die Palais-Sammelei gibt der Sache noch eine weitere Dimension. Ganz ehrlich.

So hatte ich eben noch nie viel über die Herrengasse nachgedacht. Okay, dass sie eine schicke Ecke der Stadt ist, war mir schon immer klar, aber, dass da kein einziges „normales“ Haus steht/ursprünglich stand, hat mich jetzt doch ein bissi überrascht. Im letzten Beitrag sind wir die ersten Häuser durchgegangen, diesmal möchte ich mit euch weiter in Richtung Michaelerplatz gehen.

Stehengeblieben waren wir beim Palais Batthyany. Gehen wir weiter folgen ein paar recht protzige Gebäude. Protzig im Sinn von großspurig. Es folgen zwei Bankgebäude und die Vertretung des Landes Niederösterreich. Und, bitteschön, diese Gebäude wurden als solche geplant und .. naja .. sehen auch ein bissi so aus. Die Bankbauten auf jeden Fall.
Einfallsreicherweise heißen die Gasserln die zwischen diesen Häusern entstanden sind auch Bankgasse und Landhausgasse. Ich kann gar nicht vermitteln wie unkreativ und einfältig ich das finde, aber ich hab‘ da ja leider gar nix mitzureden.

Als Wohnhaus geht so eine Bank halt doch nicht durch

Kurze Anmerkung:
Das Palais Ferstel auf der gegenüberliegenden Straßenseite (ein riesiger Bau ganz nebenbei erwähnt) ist zwar sehr attraktiv, aber eigentlich kein Palais. Denn auch das Ferstel ist als Bankgebäude geplant und erbaut und genutzt worden. Es hat nur irgendwann den „Palais“ Beinamen erhalten .. vermutlich weil’s halt gar so schön ist, das Ferstel. Außerdem findet man im Ferstel das Café Central. Geschichtsträchtiges Kaffeehaus der Sonderklasse, in das man heute nicht reinkommt, ohne sich anzustellen.

Übers Ferstel – Palais hin oder her – kommt noch ein Post. Sicher.

Neben dem NÖ-Landhaus steht dann „endlich“ wieder ein Palais in der Herrengasse. Das

Palais Mollard-Clary

Weil gegenüber dem Mollard-Clary nix steht, ist es das einzige Haus in der Gasse, das man ordentlich fotografieren kann. Das Herberstein unten an der Ecke zum Michaelerplatz zählt da irgendwie nicht. Schaue ich mir dieses Palais von vorne an, dann habe ich das Gefühl, dass genau so alle Häuser in Wien ausschauen. Womit sich einerseits offenbart, dass gefühlt jedes dritte Haus in der Stadt halt ein „Schlösschen“ ist und andererseits, dass ein unfassbar großer Anteil der Häuser und Palais eben innerhalb von .. na sagen wir mal 200 Jahren gebaut wurden und sie architektonisch irgendwie dann halt miteinander verwandt sind und – vor allem – die Gesamtoptik der Stadt dominieren.
Also für mich.

Da das Palais heute als Museum benutzt wird, kann man beinahe immer hineinschauen. Und es wird schnell klar, dass der Hof wohl nicht mehr ganz so im Barock blüht, wie ursprünglich. Aber nett zum Anschauen und recht *hüstel aufgeräumt wirkt er allemal noch.

Palais Modena

Das Palais Modena ist ein streng klassizistischer Bau, der an sich auf einem Grund steht, auf dem eben schon immer so Stadtschlösschen standen. Das gilt ja an sich in der Herrengasse für jedes Gebäude. Da wo noch heute in Palais steht, stand bitteschön nie ein Bauernhof. Das war imm Reich und Schön daheim. Wir sehen heute in den meisten Fällen Umbauten von in der Rennaissance gebauten Gebäuden oder eben komplette Neubauten. Wobei „Neubauten“ da schon mal 200 Jahre und mehr alt sein kann.
Am Modena fällt auf, dass es lang ist. Dass es eben in der Herrengasse eine beträchtliche Länge einnimmt.
Und dass da jetzt ein Teil des, ich glaub es ist das, Innenministeriums drinnen ist. Weswegen man erst mal gewählt werden muss um reinzukönnen. Oder beamtet.

Und weil es auch so lang ist, hat das Modena zwei Eingänge. Einen mit Europaflagge, einen mit Österreich. Und ein Foto ohne Fiaker zu machen, ist gar nicht so leicht. Die Herrengasse gibt quasi die Anflugsschneiße für den Michaelerplatz. Ergo Pferde beinahe immer.

Palais Wilczek

Neben dem XL-Modena kommt das Palais Wilzcek wieder recht bescheiden daher. Manchmal ist das Tor zu diesem Gebäude offen, manchmal nicht. Aber das Wilzcek hat Lieblings-Herrengassen-Palais-Potential – wegen dem Innenhof – eh klar.

Prinzipiell rate ich dazu in der Innenstadt in jedes offene Tor hineinzugehen. Die eigenen Kinder leiden zwar sehr darunter, aber man bekommt schon auch mal was zu sehen!

Natürlich ist auch das Wilczek, das wir heute sehen, nicht jenes, das hier schon seit 500 Jahren steht. Da gab’s davor was. Es gehörte auch nicht immer der Familie Wilczek.
Und um es mal schön wienerisch auszudrücken: Irgendwann wird’s das Wilczek auch nimma geben. so wie es uns mal nicht mehr geben wird. Aber die Stadt wird es vermutlich noch eine Weile geben und wie auch immer sie aussehen wird, ihre Geschichte wird auf dem Ruhen, was wir heute sehen und sind.
Auch ein Gedanke, wie ich meine.

Palais Herberstein

So. Jetzt wird’s lustig. Mein ganzes Leben lang habe ich dieses Gebäude nur als Café Griensteidl gekannt. Bis es plötzlich (gefühlt gestern) weg war. Das Griensteidl. Womit mir das erste mal klar wurde, dass da ein Haus steht. Dass das Griensteidl eben IN einem Haus drin war. Und, wie mir eben erst vor ganz kurzem klar wurde, dass dieses Haus ein Palais ist.
Man lernt nie aus. Unmöglich.

Schaut nackig aus .. ohne dem Griensteidl-Schild. Seufz!

Ich habe ein wenig herumgelesen. Das Palais Herberstein ist nicht gerade alt .. also im Vergleich zur Umgebung und hat trotzdem schon jede Menge Umbauten und Entkernungen hinter sich. Es hat einen Dachaufbau und hat auch schon alles und jeden beherbergt. Banken, Kaffehäuser, Zeitungen. Das Herberstein hat jeder schon gesehen. Nur … naja es steht am Michaelerplatz und da konkurriert man als Gebäude mit dem Michaelertor, der Kuppel dazu und halt … naja, dem ganzen Pomptrallala der Hofburg halt.

Ach ja, eines wollte ich euch noch zeigen. Ein schräges Faszinosum der Herrengasse. Es fällt auf, dass die ganzen Palais in der Herrengasse sich im Wesentlichen auf einer Straßenseite befinden. Unterbrochen nur von Bankgebäuden und dem Land NÖ. Das galt usprünglich auch für die zweite Seite. Die sich mehr oder weniger aus dem Palais Harrach (dessen Rückseite), einer Reihe Bankgebäude (inkl. Ferstel) und dem, jetzt eben nicht mehr da stehenden, riesengroßen Palais Liechtenstein zusammensetzte.
Dieses wurde so 1912/1913 abgerissen. Dann war da für gut 50 Jahre eine beachtliche Baulücke und dann haben sie dort hingepflanzt, was dort heute steht und was man erstaunlich nicht sieht, wenn man dort ist, was kein Schaden ist.

Ich rede von dem einzigen Hochhaus der Innenstadt. Eine grausliche Grauslichkeit. Ein Monster. Umgeben von belanglosem 50er Jahre „Charme“. Das einzig nette an dem Bau, sind die Geschäftslokale und die dazugehörige supersimple Fassade. Mehr sag‘ ich dazu nicht (entsetztes Kopfschütteln seufz)

rechts: Modena, Wilczek und vorne Michaelerplatz – links .. naja

Und falls euch das ein bissi interessiert: Im Archiv der österr. Nationalbibliothek kann man online Bilder dazu abrufen. Man erkennt darauf die Herrengasse von heute kaum, weil das Palais Liechtenstein das Bild komplett verändert hat. Hier der Link zum Archiv und gebt in der Suche ein:
Palais Liechtenstein Herrengasse.
Viel Spaß!

Und hier kurz noch zur Orientierung

So.
Jetzt erwähne ich noch, dass die Herrengasse so etwas wie eine privat finanzierte Begegnungszone ist. Sprich, das war bis vor kurzem eine stinknormale Straße. Jetzt ist das Niveau der Straße gleichauf mit dem Wegen dazu und es darf nur mehr fahren, was so langsam ist, dass man zu Fuß überholen kann.
Und ich erinnere mich, dass dieser Umbau von den Anrainern der Gasse mitfinanziert wurde.

Tja, das Geld ist noch immer da in der Herrengasse. Ganz eindeutig.
Aber
es spaziert sich sehr angenehm da durch. Jedes mal wieder.
Gibt Schlimmeres!

HerrengassenPalais Teil 1