gelesen KW 53 – Der 5. und der 6. Jänner in den USA {Wenn die Pandemie gar nicht mehr in den Nachrichten ist}

In den Vereinigten Staaten gibt es wohl Menschen, die sich die Nachrichten von uns hier so wünschen: Lockdown, Impfung, Regeln für Weihnachten, Regeln für Silvester. Derlei. Die Nachrichten in den USA drängeln sich – immer noch – um die Wahl. Um die fieberhaft aufrecht am Leben gehaltene Lüge vom systemischen Wahlbetrug. Ich nenne das hier Lüge, weil bis zum heutigen Tag kein einziger Nachweis, Beweis oder ernstzunehmender Hinweis vorgelegt wurde. Die Wahl ist bald 2 Monate her. Und immer noch gibt es einen Haufen Republikaner und natürlich den Präsidenten und die, die ihm nahe stehen, die immer und immer wieder davon reden. Sie behaupten es einfach. Und diese Behauptung ist für sie Legitimation genug um das Ergebnis und damit den Wählerwillen nicht anerkennen zu müssen.

Prost.

Das ist faszinant zu beobachten und gleichzeitig erschütternd irre.

Dazu die diversen Gesetze, die der Kongress unterschrieben hat und die der Präsident mit seinem Veto blockiert. Und dann ganz plötzlich dann doch unterschreibt. Es ist ein Hin und Her, der paranoiden Art. Die Nachrichten stehen Kopf. Mehrfach am Tag.

Das Geschichten, die zur Zeit viel erzählt werden und deren mögliche Konsequenzen rauf und runter diskutiert werden, sind aber folgende:

1) Georgia und seine Senatorenwahl

Im Senat ist der aktuelle Stand 50 Sitze für die Republikaner, 48 für die Demokraten. 2 Sitze sind noch offen, die werden am 5. Jänner in Georgia gewählt. In dem – ein wenig unwahrscheinlicheren – Fall, dass die Demokraten beide Sitze für sich gewinnen könnten, stünde es 50:50 und die neue Vizepräsidenten würde dann als Zünglein an der Waage die 51te Stimme abgeben. Damit hätte die Demokraten den Senat in ihrer Hand und damit den ganzen Kongress (das Repräsentantenhaus ist bereits jetzt demokratisch dominiert). Was bedeutet, dass Joe Biden gesetzgebende Gewalt ausüben könnte. Was im wohl hilfreich wäre, wenn man bedenkt, was er für den Klimaschutz und so alles umsetzen würde wollen.

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In dem – wahrscheinlicheren Fall – in dem die Republikaner zumindest einen Sitz gewinnen, wird das – ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt – deutlich schwieriger für den neuen Präsidenten. Der Senat kann dann jedes Gesetz blockieren oder sogar nicht einmal zur Abstimmung bringen. So, als wäre es nicht da. Der Senatsvorsitzende Mitch McConnell ist ein unglaublich kaltblütiger Machtpolitiker. Er hat schon Präsident Obama das Leben so richtig versaut. Ob er es mit Joe Biden auch so halten wird? Wer weiß?

In der Präsidentschaftswahl am 3. November haben etwas mehr als 5 Millionen Georgians ihre Stimme abgegeben. Georgia wählt seit einer Weile republikanisch. Das liegt zum Teil daran, dass Georgia eine fulminante Historie an Wählerunterdrückung hat. Der ehemalige Südstaatenstaat hat von Anfang an alles getan um seine große Zahl an farbigen Einwohner nicht wählen zu lassen. Und das gilt bis heute. Daher weiß keiner, wie diese Wahl jetzt laufen wird. Viele junge und farbige Wähler haben im November gesehen, dass sie die Präsidentschaftswahl entscheiden können, wenn sie wählen gehen. Auch wissen die Menschen, dass ihre Stimmen über die Möglichkeiten des neuen Präsidenten mitentscheiden.

Das wissen aber beide Seiten.

Wie gesagt. Das wird interssant.

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Das zweite potentiell heiße Datum ist der 6. Jänner. Ein Tag danach.

2) Mike Pence, der Vize und das Electoral College

Es ist an sich ein Formalakt. Für gewöhnlich schaut sich das exakt niemand an, weil fad, weil eh alles klar. Die Auszählung und Bestätigung der Electoral Collegestimmen. Vorgenommen wird diese vom Vizepräsidenten.

Aber diesmal, und zwar genau wegen dieser oben erwähnten, immer und immer wiederholten Lüge vom Wahlbetrug und derlei haarstreubendem Unfug, diesmal darf man ein Spektakel erwarten. Wenn ich es richtig verstanden habe, wohnt dem ganzen keine Magie inne im Sinne von, die können da wirklich noch ein Ding drehen, das Ergebnis kippen, Trump zum Sieger küren.

Was sie allerdings können ist die Erzählung am Leben erhalten. Die Lüge. Sie können so tun, als wären sie bereit für die vermeintliche Wahrheit zu kämpfen, als wären sie Helden, die für Trump in den Krieg ziehen. Sowas halt.

Was kann passieren?

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Nun, sie können die verkündeten Ergebnisse einzelner Bundesstaaten anzweifeln und dann diskutieren. Viel mehr ist da nicht. Der Vizepräsident, der die ganze Geschichte beaufsichtigt und leitet, könnte womöglich versuchen etwas zu drehen … ABER .. die Verfassung macht seine Rolle ziemlich klar. Er hat keine Befugnis anderes zu tun, als zu zählen und zu verlautbaren. Würde Mike Pence irgendetwas ungewöhnliches machen, dann stünde er wohl mit einem oder beiden Beinen gut im Kriminal. Man wird sehen. Trump setzt allerdings fest auf ihn. Das ist seinen Tweets zu entnehmen. 

Hat Trump damit noch reelle Chancen?

Nein. Nicht wirklich.

Wird’s Aufstände geben und so?

Naja, die Amerikaner bzw. die Trumper sind bisher nicht wirklich groß rebellierend aufgetreten. Es wäre schon verwunderlich … okay, was weiß man.

Der 6. Jänner wir auf jeden Fall hinsehenswert.

Ah ja, noch was. Dass Kongressabgeordnete bei der Verkündung der Zahlen eines Bundesstaates Zweifel erheben, ist zuletzt im Jahr 2000 passiert. Da haben die Demokraten das Ergebnis von Florida angezweifelt. Es ist also nichts komplett Ungewöhnliches.

Damals hat übrigens Al Gore, der Verlierer der Wahl, in seiner Rolle als Vizepräsident seinem Gegner das Wahlergebnis ausgezählt und endgültig fix gemacht. Für die Demokraten und wohl auch für die Demokratie eine Heldenstory.

Tja.

Wir lesen uns hier in 2021!

Bis dann