Was unsere Töchter nicht wissen und wir ihnen auch nicht sagen – #ihadamiscarriage

Letzte Woche ist es wieder passiert. Ein Thema pappte, zwar fern aber doch, in meinem Leben auf. Ein äußerst schmerzhaftes Thema. Fehlgeburten.

Alisa Burke hat es zum 4. ! mal erwischt und sie hat sich, was bisher immer noch eher unüblich ist, dazu öffentlich geäußert.

Frau sein bedeutet viel und gleichzeitig noch immer nicht genug in unserer Gesellschaft. Ich bin da ganz ehrlich. Ich bin schockiert, dass es noch immer nicht so ist, wie es sein sollte. Gleich. Zwischen Mann und Frau. Was Rechte und Bezahlung angeht.

Was mich aber besonders nervt, und zwar seit einiger Zeit schon, sind all die Themen über die wir alle (auch wir Frauen) NICHT REDEN.

Dabei sind das zum Teil riesige Themen. Wirklich wichtige Dinge, die man besser früher als zu spät mal solide durchdiskutiert, damit man, wenn es frau dann halt mal erwischt, auch zumindest nur ein kleines bißchen mehr darauf vorbereitet ist.

Und wenn man sich wohl auch nicht darauf vorbereiten kann, wie es einem geht, wenn man ein Kind verliert, so wundere ich mich jedesmal wie völlig unvorbereitet alle anderen sind. Also im Umgang mit einer Frau, die gerade ein Kind verloren hat. Die, mit ziemlicher Sicherheit, gerade durch eine emotionale Wüste schreitet. Allein.

Und alle stehen rum und schauen nur blöd.

So war es bei mir als ich, ich weiß jetzt gar nicht genau das Jahr, aber es muß so 16 Jahre etwa her sein, da habe ich für eine kurze Weile jemanden in mir gespürt. Ich habe mit diesem Jemand gezittert. Ich spürte von Anfang an, dass da was nicht stimmt. Ich konnte es nur nicht benennen , weil es meine erste Schwangerschaft war.

Mal abgesehen, dass mein Körper Achterbahn gefahren ist. Also alle Systeme auf Schwangerschaft, Vollgas und dann plötzlich der superkrasse „Full Stop“. Also mal abgesehen von dieser hormonellen Extremtortur, war die emotionale Belastung, die 1000VoltOhrfeige die das Leben meiner völlig entblößten und ahnungslosen Seele verpasst hatte, das worauf ich nicht gefasst gewesen war.

Es war als hätte ich Watte in den Ohren, ein leises Surren im Kopf. Alles war weit weg. Ich habe die Welt um mich gesehen, die Leute, den Job, alles wie immer, aber sie waren irgendwie nicht in meinem Universum. Oder ich nicht mehr in ihrem.

Bei mir war alles grau. Asche. Staub. Wüste ohne irgendeine Farbe. Wüste ohne irgendeine Sonne. Jemand war in mir gestorben. Und ich glaube ein Stück von mir war, wie von dem nahen Kontakt mit dem Tod, in dem Glauben ich sei es auch. Gestorben

Ich fühlte nichts.

Ich war allein.

Unfassbar allein.

Und dann waren da alle meine Freunde. Viele Freunde. Ich habe 5 Wochen danach in dieser Verfassung geheiratet. Groß. Weißes Kleid. Strahlendes Lächeln. Man sah später auf den Fotos nicht, dass ich mich tot fühlte. Alle wussten, was mir passiert war und niemand konnte mir helfen. Sie wußten nicht wie.

Und das macht mich noch heute fassungslos.

Es hat bei mir 4 oder 5 Monate gedauert bis das erste mal jemand zu mir sagte: „Das ist ja furchtbar! Wie geht es Ihnen jetzt?“

Kein Scheiß! 4 Monate lang haben mich alle groß angeschaut, waren überfordert, hilflos. Und nicht selten sagten sie dann sowas wie: „Na, das ist ja auch so häufig!“

Ich halte es für meine Pflicht meinen Kindern davon zu erzählen und ihnen zu sagen, was ich damals gebraucht hätte. Die Frage „Wie geht es dir?“, Zuwendung, ein bißchen Zeit. Wenn sie es auch nicht bis in meine graues Universum geschafft hätten, so bin ich mir doch sicher, dass ich die Liebe meiner Freunde gespürt hätte. Ein bißchen davon.

Wie sehr hätte ich das gebraucht.

Und meiner Tochter habe ich gesagt, dass ich da sein werde, so es passiert. Ich werde mich neben sie setzen. In ihre Wüste.

Warum ist unsere Gesellschaft, die sich für so hochentwickelt hält, nicht im Stande einer Frau in einer solchen Zeit beizustehen? Warum schweigen sich alle aus darüber. Wo es doch beinahe jeder Frau einmal trifft.

Und ich meine hier nicht die einzelnen, die sich womöglich jetzt in die Ecke gedrängt fühlen. Nein, ihr seid es nicht. Es geht darum, dass man über Belanglosigkeiten wie einen Lackschaden regelmäßige Artikel in Autozeitschriften findet, aber nicht derlei Artikel über den Schaden im Lack einer Frau, wenn ein Kind kein Kind wird.

Redet darüber! 1mal im Jahr. Dann seid ihr im Training für den Fall!

Ihr wollt sie nicht alleine lassen!

Anmerkung: Jepp, ich habe geheult, als ich das schrieb. Auch 16 Jahre danach noch!