Es ist ziemlich genau 15 Jahre her, da wurde ich Mutter. Ich habe geboren. Meinen Sohn.
Es war eine normale Geburt. Das übliche Drama. Die Schmerzen waren beträchtlich und wie es die Natur so will, habe ich sie vergessen. Ich meine, ich weiß, dass sie da waren, aber … naja, wer von euch geboren hat, wird vermutlich wissen, wie sich das anfühlt, wenn man etwas derart Einprägsames, vergisst.
Für mich war es ein Akt purer Naturgewalt. Mein erster. Ich wusste nicht, was da ablaufen würde. Technisch klar, technisch wusste ich es. Die Phasen einer Geburt und so. Ja, das schon. Aber was dann mit mir passierte, das wusste ich nicht. Und ich habe Jahre gebraucht, es zu erfassen, zu kapieren.
Wenn ich zurückblicke und versuche zu erleben und zu verstehen, dann sehe ich mich als Zuschauer eines Aktes, der in mir und mit mir ablief. Mein Körper, der schon mehrere Monate mein Leben übernommen hatte, raffte in diesen Stunden alles, was ich war, alles was ich an Kraft hatte, zusammen. Dabei blendete er mich völlig aus. Er war. Mein Körper. Solo. Er setzte mich in einen Sessel und sagte: „Lass mich machen.“
Und ich, ich konnte gar nichts machen. Dagegen oder dafür. Die totale Ohnmacht. Ich war beinahe sinnbefreit, unnütz und das in meinem Leben. Noch dazu in so einem entscheidenden Moment meines Lebens.
Es war irre.
Und dann, als ich nach Stunden langsam, ganz langsam wieder ans Steuer durfte, da war da diese Erschöpfung. Dieses gigantische Ende von Kraft, die Nulllinie abseits des Todes. Sein ohne Energie.
Und gleichzeitig war da ein Baby.
Zerknautscht, rot und es roch gut.
Der Geruch war wirklich extrem. Ich hatte noch nie ein Baby so wahrgenommen. Riechend.
Alles andere an mir war sowieso leer.
Riechen ging. Das bißchen, das von mir war, das roch das Baby. Alles was ich war, roch meinen Sohn, speicherte ihn ab. Natur pur. Ich war zur Natur geworden. Und das Riechen war alles.
Er lag da in meinen Armen. Klein, fremd und doch vertraut. Ich kannte ihn und ich kannte ihn nicht. Ich war noch keine Mutter. Ich hatte nur ein Baby bekommen. Das weiß ich heute. Das ist ein Unterschied, den man uns vergisst, vorher zu erklären.
Nur weil man geboren hat, ist man noch keine Mutter.
Mutter werden ist ein Prozess. Das dauert. Vermutlich Jahre.
Meine Kinder haben mich zur Mutter gemacht. Die Geburt meines Sohnes war der Anfang. Vor 15 Jahren.
Jetzt ist er größer als ich, er isst dreimal soviel und er ist beinahe so frech wie ich.
Und heute, heute denke ich zurück an diese ersten Momente mit ihm. Dieses nur er und ich. Nur wir zwei. Diese fremde Vertrautheit, das vertraute Fremde. Der Anfang.
Was haben wir nicht alles durchgestanden. Wie hat er sich verändert, wie ich mich.
15 Jahre.
Ich bin eine Mutter.