Fahr doch mal wieder mit der Bahn oder Europa ist größer als 2 Stunden

Es war im Jahr 2010. Mein Mann und ich waren nach langen Kleinkindjahren auf einem Pärchentrip in London. Wir hatten da eine Verbindung zu dieser Stadt. Mein Mann ist halber Brite und ich hatte ein Auslandssemester in London verbracht. Himmel, das waren Zeiten.

Also wir auf das obligate lange Wochenende in London. Reinschauen, wie es der Stadt denn geht. Den Gasserln, die wir kannten. Ein bißchen Weltstadtluftschnuppern.

Wir flanieren also durch unser WiedersehenLondon und bemerken dabei gar nicht, dass gar keine Flieger über der Stadt kreisen. Blauer Himmel. Keine Stahlvögel weit und breit.

Ja genau, wenn ihr schnell im Kombinieren seid, dann wißt ihr schon, was passiert war. In Island war ein Vulkan ausgebrochen und der Flugverkehr über Europa war zum Erliegen gekommen. Ejfallaköölüüü, oder wie er auch immer heißt, hatte uns kurzerhand auf der Insel stranden lassen. Und wir ahnten zu Beginn gar nichts davon. Als wir es dann doch hörten, versuchten wir es auf klassisch.

Die AUA war allerdings in keinster Weise erreichbar, nicht mal das Tonband sprang richtig an. Heathrow war kollabiert. Wir sind erst gar nicht hingefahren.

Nein, wir fuhren gleich nach Dover. Weil OhmeinGottdieKinder-MamaPanik irgendwie, und weil Fähre in Dover.

Wir kamen dort an kurz bevor das Chaos dort eintraf, wir setzen über bevor die anderen kamen. ALLE anderen.

In Calais angekommen, nahmen wir einen Zug nach Brüssel und dort war dann spontan Schluß. Weil es war abends.

Man mag ja meinen, dass in Brüssel das Herz von Europa schlägt. Nun, wenn dem so ist, dann geht Europa (zumindest 2010) um 11. Uhr schlafen. Aus . Schluß . Basta. Da geht nix mehr. Kein Zug. Kein Bus.

Pause.

Und doch. Am Gepäckschalter saß ein Mann, Hände so groß wie Wagenräder, mit dem Wissen einer Europaschienenenzyklopädie. Dieser Mann buchte für die müden Gestrandeten aus ganz Europa Zugfahrten quer durch den Kontinent und das obwohl der ganze Bahnhof still stand, alle anderen Schalter geschlossen waren, das Licht auf Nacht gedimmt.

Zu einem Zeitpunkt an dem in Belgien schlief, buchten die Wagenräderhände Heimwege.

Auch für uns.

Es gab da nämlich noch so einen RegionalBummelZug, der fuhr nach … pfff. Irgendwo an die Grenze  Belgien/ Deutschland. Abfahrt kurz vor Mitternacht.

Der Zug bot die Möglichkeit bis an die Grenze nach Deutschland zu gelangen und von dort mit dem Taxi den kleinen Hopp zu machen nach, ich glaub‘ es war Aachen. Und in Aachen, da fahren die Züge wie es scheint dann auch nachts. Deutschland schläft durchwegs weniger als Belgien, das weiß ich seitdem und der WagenräderMann, der wusste das auch.

Also saßen wir ein Weilchen später mit ein paar Leuten aus Portugal und Polen im Taxi nach Aachen.

Von Aachen fuhren wir dann mit einem Zug nach, ich glaub es war Köln.

In Köln war was los. Schließlich war es Samstag Nacht und die Jugend war am Feiern.

Das Bild, das sich daraus ergab habe ich leider nicht fotografisch festgehalten. Ihr dürft es euch im Kopf ausmalen. Müde Betrunkene neben müden Trolleyschiebern. Eine Zweikomponentenmischung, die für eine Wochenendnacht eher untypisch ist.

Ein schräges Bild.

Gute Güte war ich müde.

Und in Köln setzten wir uns in einen Zug, der nach Wien fuhr. Mehr oder weniger direkt. Und von da an waren wir dann noch einmal 12 Stunden unterwegs.

Ja, genau.

So groß ist Europa wirklich.

Und in Zukunft werden wir das wohl alle wieder häufiger so erleben. Nicht wegen irgendwelcher Vulkane, nein schlicht weil es sich nicht wirklich dafür steht innerhalb unseres Kontinents herumzuhoppen per Flieger. Das oben erwähnte Wochenende hat nämlich einen unverhältnismäßigen CO2 – Abdruck.

Das soll jetzt nicht heißen, dass man es nicht machen kann und nie wieder fliegen darf. Es soll heißen, dass nicht jeder Trip diese Rechnung wert ist. Die Verhältnismäßigkeit rückt in den Mittelpunkt.

Und für einige von uns wird der Weg in eine Stadt wohl zum Teil des Urlaubs werden. Das Reisen wird mehr Raum einnehmen und womöglich, so erhofft sich das der Optimist, wird dadurch sogar noch etwas Streß rausgenommen.

Und ich muß sagen, wenn ich so lese, wie sich unsere Heimreise gestaltet hat,

wird es womöglich auch interessanter 😉

Was meint ihr?